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Mordsschock (German Edition)

Mordsschock (German Edition)

Titel: Mordsschock (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hoffmann
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vor der Vollendung. „Das Gesicht ist oben genauso breit wie unten. Also muss ich gleichmäßig viel Rouge auftragen“, überlegte sie laut.
    Insgeheim zog ich ein niederschmetterndes Fazit: Ich besaß ein Luftballongesicht mit eingedellter Lippe, Schlupflidern und unglaublich gefräßiger Haut. Von meinen scheußlichen Haaren ganz zu schweigen! Wie hatte ich nur jemals glauben können, ganz leidlich auszusehen? Maßlose Selbstüberschätzung!
    „Voilà!“ Sandra hüpfte fröhlich zur Seite und klatschte laut in die Hände.
    „Wahnsinn, was du aus diesem Gesicht gemacht hast!“, begeisterte sich Fred.
    „Ja, kein Vergleich zu vorher“, lobte sich Sandra selbst. „Und? Was sagst du?“, interessierte sie sich ausnahmsweise auch mal für meine Meinung.
    Aus dem Spiegel starrte mich ein lebloses, angemaltes Gesicht an, das mich an eine Schaufensterpuppe erinnerte. Gut, die Lidstriche waren gelungen, selbst hätte ich die nie so hinbekommen. Aber insgesamt fand ich diese fremde Person im Spiegel nur bunt und tot.
    „Nett!“, erklärte ich lahm und versuchte, die glatte Bauarbeiterhelmfrisur zu ignorieren.
    Für das Foto verrenkte ich mich total, weil dem Fred nichts recht war. Er hantierte mit einer professionellen Fotoausrüstung herum, weil er, wie Sandra schwärmte, ‚einfach alles kann‘.
    Als Kontrast glaubte ich langsam, nichts zu können. Wie ich mich auch hinsetzte, um die eigene Achse drehte, meine Arme verknotete, auf mein starres Gesicht ein eisiges Lächeln zauberte und dabei den Hals mit Schwung nach vorne kippte – dem Fred gefiel nichts.
    „Nein, nein, so geht das nicht!“, empörte er sich.
    Kritisch begutachtete Sandra mich. „Du bist viel zu verkrampft! Außerdem solltest du mal beim Frank Haltungstraining machen.“
    Wer auch immer dieser alberne Frank war, den ich nie im Leben kennenlernen wollte, langsam kroch in mir die Wut hoch.
    „Sandra, du musst ihr helfen. Alleine schafft sie das nicht“, jammerte Fred.
    Sandra knebelte meinen rechten Arm an die Hüfte, wobei sie ihn mir fast auskugelte, zupfte mein Top zurecht und drehte mir den Kopf vom Hals. „Dieses Outfit ist auch ganz ungeeignet“, schimpfte sie und grapschte mich mit spitzen Fingern an.
    Das war zu viel für mich! Ich vertrage eine Menge, aber nicht auf diese Weise angegrapscht zu werden. In Affengeschwindigkeit schoss ich aus meiner verdrehten Haltung hoch, sodass Sandra über ihr schwarzes Gewand stolperte. Mit Bärenkräften, die man nur aus Wut heraus entwickeln kann, zwang ich Sandra an meiner Stelle auf den Stuhl.
    Sie war wohl auch viel zu verdutzt, um sich wehren zu können.
    Ich riss ihr die riesige Hornbrille von der Nase und begutachtete das von feinen Linien durchzogene, nicht mehr taufrische Gesicht, das sie geschickt darunter verbarg.
    „Nein“, konstatierte ich kopfschüttelnd, „da hilft nichts mehr! Du musst dich liften lassen oder weiter als hässliche Eule durch die Gegend flattern.“ Ich ergriff die Puderquaste und wischte ihr damit ein paar Mal über das Gesicht. „Dich will sowieso niemand mehr sehen!“
    Nach diesen Worten warf ich dem entgeisterten Fred eine kecke Kusshand zu, fuhr mir einige Male durch die Bauarbeiterhelmfrisur, bis sie total verwuschelt war, und verließ den Salon so hoch erhobenen Hauptes, dass ich bei dem unbekannten Frank bestimmt als Musterschülerin gegolten hätte. Niemals war mir wohler gewesen!
     
    Das Hochgefühl verflog sofort, als ich die Redaktion betrat.
    Natürlich hatte Sandra bereits zornentbrannt Paschke angerufen, die Anzeigenkampagne storniert und jede Zusammenarbeit gekündigt.
    „Tut mir leid, ich lasse mich nicht vergewaltigen“, erklärte ich dem wütenden Wagner und dem noch wütenderen Paschke.
    „Aber leben wollen Sie von dem Geld, das wir mit unseren Kunden verdienen“, tobte der Anzeigenleiter und hielt mir einen langen Vortrag darüber, wie schwer er es draußen hätte, während wir drinnen warm und trocken hinter unseren Computern hockten. Es wäre nicht auszuhalten, wenn ihm dusselige Redakteurinnen das Geschäft vermasseln würden.
    Wagner sprach nur einen einzigen drohenden Satz: „Ihr Verhalten ist reif für eine Abmahnung!“
     
    Per Einschreiben traf die Abmahnung bei mir ein. Ich hatte nicht die Kraft, sie hinter die Kommode zu werfen.
    Lila versicherte mir am Telefon, das Schreiben wäre gar nichts wert. So was hätte sie auch schon kassiert, weil sie einem zudringlichen Gast, der sich hinterher als adeliger Bankier

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