Mordsschock (German Edition)
kommentierte Herbie.
„Wieso? Ich bin gut mit ihm ausgekommen“, verkniff sich Gundula nicht, mit ihren Connections zu dem Mordopfer zu prahlen.
Jetzt war Wagner froh, dass ich das umstrittene Foto von der Schneiderin gemacht hatte. Nun wurde es gedruckt. Sogar auf dem Titel. Das ungehörte Opfer von damals mauserte sich zur kaltblütigen Mörderin!
Für eine Anzeigenkampagne sollte ich einen Erfahrungsbericht bei einer Visagistin schreiben, die eine ‚Vorher-Nachher-Show‘ mit mir plante. Zunächst diskutierte ich eine halbe Stunde mit ihrem Hairdresser, dem Fred, dass ich mir unter keinen Umständen die Haare abschneiden lassen würde.
Der Fred, ein blondgefärbter Enddreißiger ganz in Schwarz, war tödlich beleidigt. Der Anzeigenauftrag kurz vorm Platzen.
Herr Paschke, unser Anzeigenleiter, ein faltiger Mittfünfziger, schwitzte sein Oberhemd durch. Er redete mit zehn Zungen gleichzeitig und warf mir nebenbei giftige Blicke zu. Seine Segelohren färbten sich knallrot und glichen nun Rotorblättern, die sich jeden Moment drehen konnten, um Paschke in die Luft zu jagen.
Tut mir leid, alle Opfer bringe ich nicht für den Job. Ich riskiere zwar mein Leben, aber nicht meinen Kopf!
Der Fred fuhr mit seinen Klavierfingern durch meine Haare und moserte mit hoher Piepsstimme: „Miserabel, unterirdisch, furchtbar!“
Unwillkürlich sackte ich zusammen und überlegte, ob ich nicht doch den Fred an meinen Kopf lassen sollte. Nachdem er mir die Haare so zerwühlt hatte, dass sie wie weichgekochte Spaghetti aussahen, knipste seine Chefin Sandra, die Visagistin und Besitzerin des Salons, ein Polaroidfoto von mir. Käseweiße Haut und rote Augen sind bei Polaroids ja selbstverständlich. Aber was mich auf dem Vorher-Foto anguckte, war schlimmer als das Gesicht eines verstörten Kaninchens mit fettiger Haut, labberigen Spaghettisträhnen und viel zu dunkel geschminkten Augenbrauen. Mein Gott, so hatte ich mich auf die Straße getraut? Die Leute mussten ja mit Fingern auf mich gezeigt haben! Ich war ehrlich entsetzt und wagte es nicht mehr, in den Spiegel zu schauen.
„Ja, da wartet echte Arbeit auf uns“, stellte Sandra fest, um den letzten Rest von Selbstbewusstsein, den ich irgendwo aufgespeichert hatte, radikal zu löschen.
Ich schrumpfte auf meinem Hocker, während Fred mir stöhnend die Haare wusch.
Wenigstens verabschiedete sich Herr Paschke endlich, presste seinen Anzeigenauftrag unter den Arm und glitt auf einer langen Schleimspur mit glühenden Segelohren zur Tür hinaus.
Aus den Augenwinkeln betrachtete ich meine Umgebung. Der Salon war eine Art fensterloses Loft. Riesig groß und hoch mit nur drei Schmink- und Waschplätzen sowie künstlicher Beleuchtung aus zahlreichen Miniglühbirnen. Wie viel Raum ungenutzt vor sich hin dämmerte! Die Wände schimmerten vanillegelb und waren überall mit Spiegeln bestückt. Ein Supertrick: Die Kundin blickte wehrlos in Dauerberieselung die eigene Visage an, die in dieser Beleuchtung krank ausschaute. Wer würde bei der Folter nicht hilfesuchend nach Sandras Ganzkörper-Make-up gieren und darum betteln, sich die fahlen Haare von Fred färben zu lassen?
Sandra schminkte öfters Models für Magazine und Modenschauen. Ihrem professionellen Urteil könne man vertrauen, hieß es. Heimlich betrachtete ich sie: strähnige Haare in verschiedenen Brauntönen, die ihr in Stufen geschnitten auf die Schultern fielen. Eine überdimensionale schwarze Hornbrille verdeckte ihr Gesicht. Auch ihre Figur ließ sich nur erahnen, weil sie sie in ein weites bodenlanges schwarzes Gewand hüllte. Sie glich einer Eule.
„Warum du so an diesen Haaren hängst!“, bemerkte sie gerade mit vernichtender Stimme, als ob ich Kaktusstacheln mit Lametta auf dem Kopf hätte.
Eingeschüchtert schielte ich im Spiegel auf die filigranen Hände von Fred. Mit spitzen Fingern schwang er einen Frisierkamm, den er durch meine nassen Haare orgeln ließ. Nebenbei lästerte er pausenlos über meine unmögliche Frisur. Strähne für Strähne zupfte er heraus, drehte sie brutal in eine andere Richtung, als wäre er ein Eroberer, der nun das Land neu ordnen müsste. Er ziepte über meine Kopfhaut und markierte die Haarwurzeln wie ein Feldherr seine Territorien. Ich war ihm ausgeliefert, meinem Bezwinger.
Aua! Ein Schwall heiße Luft brannte an meinem Ohrläppchen. Fred pustete mit einem Fön durch meine gewaltsam umsortierten Haare und zog sie so glatt, dass sie wie ein Bauarbeiterhelm um den Kopf lagen.
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