Mordsschock (German Edition)
Schneiderin. Sie ist jetzt in einer psychiatrischen Klinik.“
Verdutzt starrte ich mein Gegenüber an. Diese schüchterne, schmächtige Person hatte den Mut aufgebracht, eine durchgedrehte Kriminelle in der Psychiatrie zu besuchen? Unglaublich!
„Ich habe die Schwestern so lange überredet, bis man mich zu ihr gelassen hat.“ Sie kicherte. „Ich schwindelte ihnen vor, ich sei die Nachbarin, die sich momentan um ihren Haushalt kümmere, und müsse ihr dringend mitteilen, wie großartig sich ihre Zimmerpalmen entwickelt hätten. Das würde ihr große Freude bereiten.“
Sieh mal an, diese unscheinbare Ilse Walter hatte ich gründlich unterschätzt!
Bedrückt fuhr sie fort: „Die Frau sieht traurig aus. Ein Elend, was mit ihr geschehen ist! Für kurze Zeit drang ich in ihre Welt vor. Ich erzählte, dass ich Pranges wegen meine Stellung verloren habe. Dieses gemeinsame Feindbild verbindet.“ Ilse Walter legte eine Pause ein, um die Spannung zu erhöhen. „Sie murmelte ständig ‚tot, tot‘ vor sich hin. Mein Therapeut hat mir beigebracht, einen Menschen eindringlich anzusehen, wenn man was von ihm erfahren will. Das tat ich und fragte sie, ob sie eine Vermutung hätte, wer Prange umgebracht habe. Sie gab zu, etwas gesehen zu haben.“
Ich hatte längst aufgehört, scheinbar mitzuschreiben und fieberte dem entgegen, was sie entdeckt hatte. „Sie behauptete immer, nichts gesehen zu haben. Was hat Sie Ihnen erzählt?“ Heimlich presste ich eine Hand auf mein schneller klopfendes Herz. Instinktiv fürchtete ich mich vor ihren Enthüllungen.
„Sie flüsterte unentwegt, sie habe einen braunen Mann vor dem Gartenhäuschen gesehen. Das muss wohl kurz vorher gewesen sein, bevor Prange ermordet wurde.“
„Was für ein brauner Mann?“
„‚Brauner Mann, brauner Mann‘, flüsterte sie mir zu. Ich glaube, sie vertraute mir, weil Prange auch mein Leben zerstört hat.“ Weinerlich schnäuzte Ilse Walter sich und drohte, mir auf einer Welle von Selbstmitleid zu entgleiten.
„Ja, ja … Mehr hat sie nicht gesagt?“
„Nein, es wurde Zeit, zu gehen. Mehr war aus ihr nicht herauszukriegen. Trotzdem gibt das dem Fall eine andere Wendung. Die Personenbeschreibung eines Verdächtigen. ‚Brauner Mann‘ – das könnte ein Südländer sein. Oder sie hat einen Farbigen gesehen. Meinen Sie, ich sollte zur Polizei gehen?“
Diese Frage entzündete eine glühende Angstflamme, die pfeilschnell durch meinen Körper flackerte. Mein siebter Sinn setzte eine innere Alarmanlage in Gange. Was, wenn der Mordfall ‚Prange‘ eine neue Wendung nahm und dadurch auch die Grundstücksaffäre aufgedeckt wurde? Ilse Walter als Hauptzeugin würde natürlich ausplaudern, dass sich Ken und seine Kollegen bereits vorweg die Sahnestücke gesichert hatten.
Ich musste diese dumme Kuh unbedingt zum Schweigen bringen! „Nein, ich würde auf keinen Fall zur Polizei gehen. Solange es keine weiteren Beweise gibt. Die Beamten halten die Schneiderin für bekloppt und würden Ihrer Aussage keinen Glauben schenken. Sie hätten nichts als Scherereien damit. Und das wollen Sie doch nicht?“
Wortlos ließ sie den Verschluss ihrer Handtasche auf- und zuschnappen.
Langsam bekam ich Oberwasser. Die Sicherheit fiel von ihr ab. Vor mir hockte wieder das verängstigte Mäuschen.
Gönnerhaft versprach ich, mich um die Sache zu kümmern und den Fall neu zu recherchieren. „Auch in der Grundstücksgeschichte brauche ich mehr Fakten. So kann ich den Artikel nicht bringen. Das wird eine Weile dauern. Ich melde mich wieder bei Ihnen. Aber gehen Sie auf keinen Fall zu einer anderen Zeitung damit! Oder zur Polizei!“, fügte ich beschwörend hinzu mit dem festen Vorsatz, Ilse Walter nie im Leben anzurufen. Am liebsten hätte ich ihr eine neue Kur in Griechenland empfohlen, um sie außer Landes zu wissen.
Sie beteuerte, alles für sich zu behalten und niemand anderem davon zu erzählen. Trotzdem blieb Ilse Walter eine tickende Zeitbombe.
Kapitel 26
Der geheimnisvolle braune Mann beschäftigte mich. Irgendjemand hatte ihn in meiner Gegenwart erwähnt, aber mir fiel nicht mehr ein, wer das war. Ich fragte meine Kollegen, ob sie jemals einen Ausländer mit braunem Teint in Pranges Nähe gesehen hätten.
Niemand erinnerte sich.
Aber in der Mittagspause hatte Gundula einen Geistesblitz. „In der Pförtnerloge im Rathaus arbeitete mal ein Puertoricaner.“ Kichernd ergänzte sie: „Ich sollte mit ihm ausgehen.“
Klar, Gundula das Superweib, auf das
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