Mordsschock (German Edition)
jemand folgte. Beobachtete mich der seltsame Anrufer aus dem Gebüsch heraus?
Langsam senkte sich die Dunkelheit auch über den Parkplatz. Den Wald hatte sie bereits in ihrer Gewalt. Wie eine schwere Glocke umklammerte sie die Bäume, hielt Pflanzen und Tiere in undurchdringlicher Finsternis gefangen. Klopfenden Herzens betrat ich den Waldweg. Mein schützendes Auto verschwand aus der Sichtweite.
Jedes Mal, wenn Zweige unter meinen Schuhen knackten, hielt ich vor Schreck die Luft an. Panisch glaubte ich an eine unsichtbare Bedrohung aus dem Unterholz, bis ich feststellte, dass ich selbst die Geräusche verursachte.
Ich beschleunigte meine Schritte, um so schnell wie möglich den Treffpunkt zu erreichen. Auf der linken Seite entdeckte ich die Umrisse einer Holzhütte. Vermutlich ein Unterstand für Waldarbeiter. Es roch nach frisch gesägtem Holz. Mehrere Stapel lagen fein säuberlich am Weg aufgeschichtet. Jetzt saßen alle Waldarbeiter längst gemütlich daheim vor der Glotze. Ich beneidete sie und sehnte mich nach meiner klebrigen Ledercouch.
Neben mir raschelte es im Graben. Erschrocken fuhr ich zusammen und presste automatisch die Hand auf mein Herz, das in diesem Moment einen Trommelwirbel veranstaltete.
Ein braunes Etwas mit funkelnden Augen schoss an mir vorbei.
Ich leuchtete mit meiner Taschenlampe und lachte: Ein verängstigtes Kaninchen flüchtete in seinen Bau. Etwas mutiger ging ich weiter und versuchte, meine Gedanken auf zukünftige journalistische Erfolge zu lenken und die unheimlichen Geräusche zu ignorieren. So gut es ging, verdrängte ich meine Furcht vor dem großen Unbekannten.
Endlich kam ein Wegweiser, der nach rechts zum Grab des Nicolaus von Bernfried zeigte. Ein kleiner Pfad führte zu einer ringförmigen Anlage aus aufeinander geschichteten Findlingen. Riesige bemooste Linden, an deren Stämmen Efeu emporkletterte, gruppierten sich um die Anlage, als wären sie die stummen Bewacher des Grabmals. Durch die Wipfel der Linden funkelte ein Stückchen Mond und tauchte die Szenerie in Zwielicht.
Ein schmiedeeisernes, verschnörkeltes Tor ankerte wie ein Fremdkörper zwischen den Findlingen. Es ließ sich quietschend aufklinken.
Neugierig trat ich ein und stand auf der Fläche, die die Findlinge und die Linden bewachten. Drei flache Grabsteine ruhten in den Waldboden eingelassen. Einen Moment lang vergaß ich den Zweck meiner Anwesenheit und beleuchtete mit der Taschenlampe die verwitterten Inschriften der Steine.
Nicolaus von Bernfried. Königlich Danischer Cons. Rath 1714 bis 1805 stand auf dem ersten Stein. Das war also der Bauherr des Herrenhausensembles. Für damalige Verhältnisse hatte er ein stolzes Alter erreicht. Die gute Waldluft!
An seiner Seite erinnerte ein Stein an die treue Gattin Conjunx Elisabeth .
Merkwürdig war die Inschrift des dritten Steines: Dem Unbekannten – Bekanntesten. Unsichtbaren – Sichtbarsten. Dem Worte, Ewige Anbetung. 1791 xx.
Davon gefesselt, reflektierte ich den Sinn der schlichten Zeilen. Sie faszinierten mich. Das passte. Ob der anonyme Anrufer deswegen diesen Ort gewählt hatte? Die Magie der Worte. Vielleicht half sie in diesem Fall, ein Unrecht aufzudecken?
Fünf Minuten nach 22 Uhr. Mein Informant verspätete sich.
Ich trat von einem Fuß auf den anderen. Die Nächte waren im Wald kühl. Ich lauschte in die Finsternis. Nichts. Nur ein Käuzchenruf in der Ferne. Meine Nackenhärchen stellten sich auf. Gänsehaut.
Kleine Tiere schlichen durchs Unterholz. Kaninchen, Füchse, Marder und was weiß ich alles. Sogar Rehe? Ich hörte Zweige knacken und leichte Schritte. Tapp, tapp ... So bewegte sich kein menschliches Wesen. Ich schaute nach allen Seiten, aber niemand zeigte sich.
Erschien der geheimnisvolle Unbekannte gar nicht, und das Ganze war ein dummer Jungenstreich? Bloß, woher sollten die ahnen, dass bei der Grundstücksverteilung des Gottesangers etwas nicht stimmte? Ich hockte mich auf einen Steinhaufen an der Seite und zündete mir zur Beruhigung meiner aufgewühlten Nerven eine Zigarette an. Die Steine waren glitschig und feucht. Mein Hosenboden wurde nass, deswegen stolzierte ich rauchend auf und ab. Feuer hält die wilden Tiere fern, dachte ich.
Im selben Moment bekam ich einen Schlag in den Nacken versetzt.
Ich taumelte schreiend zurück, ging sekundenlang in die Knie und fühlte den feuchten Waldboden unter mir. Aber eine innere Kraft zwang mich, wieder aufzustehen. Ungeachtet der Schmerzen, drehte ich mich um die eigene
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