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Mordsschock (German Edition)

Mordsschock (German Edition)

Titel: Mordsschock (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hoffmann
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Ken.“
    „Ken passt auch viel besser zu dir“, tröstete ich ihn.
    Seine finstere Miene erhellte sich etwas.
    Ich verstand nicht, warum er sich über die Begegnung mit dem Kleiderschrank so ärgerte. Ich fand es rührend, wie er sich abgemüht hatte, seinen eigenen Weg zu gehen. In meinen Augen zeugte es von Kreativität und Erfindungsgeist, den Namen zu ändern, um ein ehrgeiziges Ziel zu erreichen. Und die ollen Kamellen des Schulkameraden ließen ihn nur menschlicher wirken. Er schwächelte auch mal als kleiner Kurt, marschierte nicht sein gesamtes Leben lang als perfekter, allseits beliebter, strahlender Ken über die Erde. Männer!!!
     
    Frau Hanselmann insistierte am Redaktionstelefon, sie und ihre Naturschutzgruppe hätten ein Recht auf einen kritischen Artikel über die Bauvorhaben am Gottesanger.
    Ich trug Wagner die Wünsche vor.
    „Wir sind kein Radaublatt für Autonome“, lehnte er barsch ab. „Der Unmut einzelner Alternativer interessiert nicht mal die Sau vom Bauer Bartels. Bringen Sie lieber Ihre Recherchen über die Grundstücksverteilung zu Ende! Und zwar gespickt mit stichhaltigen Beweisen.“
    Umgehend teilte ich Frau Hanselmann die schlechte Nachricht mit, und umgehend beschimpfte sie mich. Wie immer musste der Überbringer der Botschaft hängen.
    Seufzend kramte ich meine Unterlagen hervor. Wenn ich Hubers Architekten auf einen Termin festnagelte, der aussagte, dass er bereits mit der Planung eines Hauses für den Bürgermeister begonnen hatte, als die Grundstücksverteilung noch gar nicht feststand, hätte ich einen erdrückenden Beweis in der Hand.
    Ich rief Ehrhardt an, um ihn nach dem Namen des Architekten auszuquetschen. Schließlich war er es gewesen, der durch seinen Architektenfreund von dem Hausbau des Bürgermeisters gehört hatte.
    Aber plötzlich befiel den Alzheimer. Er erinnerte sich an nichts mehr. „Nein, das war nur so ein Gerücht! Kristallisierte sich als unhaltbar heraus. Mein Freund hatte sich getäuscht und Huber mit jemandem verwechselt. Den Namen von meinem Freund? Nein, der ist verreist, aber wie gesagt, das ist auch ganz unerheblich. Es handelte sich um einen Irrtum. Es tut mir leid, dass ich Sie damals damit behelligt habe.“
    Maulkorb!!! Ich zerriss eine Pressemitteilung von Ehrhardt in tausend einzelne Stückchen und biss mir dabei auf die Zunge, um nicht laut zu fluchen. Die Herren Politiker waren wie die berühmten drei Affen: nichts hören, nichts sehen, nichts sagen!
    Selbst bei Ken war ich mit meinen vorsichtigen Nachforschungen nicht weitergekommen. Er behauptete, er dürfe mir keine interfraktionellen Internas stecken. Das müsse ich einsehen. Im Übrigen habe er auch nichts in der Hand, was für mich von Interesse wäre.
    Ich sah gar nichts ein und sagte unsere abendliche Verabredung ab.
     
    „Nina, denkst du, ich bin ein schlechter Mensch?“, fragte Vic mich am Telefon.
    „Weil du grundsätzlich das Gegenteil machst von dem, was du tun solltest? Kannst du leicht ändern. Überhöre nächstes Mal entweder deine widerborstige innere Stimme oder mache das Gegenteil von dem, was sie dir zuflüstert!“
    „Es ist wegen Mami ...“
    Ich horchte auf.
    „Hast du ... Hast du geweint, als sie starb?“
    Ich sah Mutter in ihren letzten Tagen eingekeilt zwischen schneeweißen Laken, von denen sich ihre bleiche Haut kaum abhob. Sie lag in einem sterilen Krankenzimmer, angeschlossen an Schläuche, durch die milchige Flüssigkeiten rannen. Auf ihrem alabasterfarbenen Gesicht schwebte bereits ein überirdischer Hauch, als wäre sie voller Erwartung auf diese unbegreifliche Dimension, aus der kein Forscher jemals zurückkehrte. Der Körper schmal und zerbrechlich wie der eines Kindes. Er schwand und schwand. Spitze Knochen bohrten sich einen Weg an die Oberfläche. Kein Fett und Bindegewebe hielten sie auf. Ihr Mund war geschlossen. Sie sprach und aß nicht mehr. Sie hatte aufgegeben. Das Leben entwich. Einzig ihre Augen flackerten trübe wie zwei Perlen, die ihren Glanz verloren hatten. Unverwandt ruhten ihre Blicke auf uns.
    Die Metastasen fraßen sie auf. Stück für Stück raubten sie sie uns. Nahmen ihr Lachen, ihre Energie, ihren Körper. Nur ihre Seele, an der bissen sie sich die Zähne aus.
    Im Film werden am Sterbebett große Worte ausgetauscht, im Leben nicht. Gesten genügen. Der Händedruck, den sie zart wie eine davonfliegende Wolke erwiderte. Ihr sanfter Jasminduft, dem die beißenden Medikamentenausdünstungen nichts anhaben konnten. Ihr stiller

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