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Mordsschock (German Edition)

Mordsschock (German Edition)

Titel: Mordsschock (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hoffmann
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und mich selbst am Straßenrand auf und hoffte auf eine mitleidige Seele, die sich meiner erbarmte.
    Ein abgetakelter Opel Ascona stoppte. Die Fahrerin kurbelte das Fenster runter und zwitscherte: „Wir Frauen müssen zusammenhalten!“ Forsch reichte sie mir die Hand und stellte sich vor: „Ich bin die Ella.“
    Ella fuhr mit der Hand durch ihren Stoppelschnitt, sodass sich die Haarspitzen wie Igelstacheln aufstellten. Sie trug einen selbstgestrickten Wollpulli mit ausgeleiertem Bündchen, verblichene Jeans und Birkenstocksandalen, roch nach biologisch abbaubarem Waschmittel, Vollwertgemüseeintopf und war Anfang vierzig. Sie kutschierte mich zur nächsten Tankstelle, wo ich mich mit Öl versorgte.
    Wir kamen ins Gespräch. Als Ella hörte, dass ich beim Rosenhagener Tageblatt arbeitete, geriet sie in Rage. „Warum schreibst du nicht über den Skandal um den Gottesanger?“
    Ohne Zweifel gehörte Ella in Frau Hanselmanns Ökotussi-Club. Gleich würde sie mir die Ohren vollheulen, wie bedroht der arme Flussregenpfeifer wäre.
    „Du bist wohl mit Frau Hanselmann befreundet?“, nahm ich ihr den Wind aus den Segeln.
    Aber sie guckte mich überrascht an. „Eine Frau Hanselmann kenne ich nicht. Was hat die damit zu tun?“
    „Äh, nichts! Was meinst du mit Skandal um den Gottesanger?“
    Ella erzählte mir aufgebracht von ihrer Schwester, die als Verwaltungsangestellte im Rathaus gearbeitet habe und nun entlassen worden sei. Wegen eines winzigen Fehlers, so drückte Ella sich aus. Sie habe die abschlägigen Bescheide einige Tage zu früh rausgeschickt. Na ja, Ilse wäre wohl manchmal ein bisschen zerstreut, aber das sei kein Kapitalverbrechen. Die Absagen wären ja längst vor der Frist beschlossene Sache gewesen. Und ihre Schwester Ilse müsste als Bauernopfer im schmutzigen Spiel der Politiker den Kopf hinhalten.
    „Nun ist Ilse alles egal. Sie denkt nicht mehr an ihre Schweigepflicht. Sie hat mir erzählt, dass die Politiker die besten Grundstücke längst unter sich aufgeteilt haben. Das ist eine der ungeheuerlichsten Sauereien in Rosenhagens Stadtgeschichte! Man müsste sie alle schassen“, regte Ella sich auf, „und niemand unternimmt was dagegen!“
    Mein Herz schlug schneller. Fand ich endlich eine Zeugin, die der Öffentlichkeit bestätigte, dass es bei der Grundstücksvergabe nicht mit rechten Dingen zuging?
    „Kann ich Ilse mal treffen? Ich finde das unheimlich wichtig, was du erzählst. Den Kerlen muss das Handwerk gelegt werden!“
    „Leider nein, sie ist verreist. Macht eine Kur in Griechenland. Du kannst dir nicht vorstellen, wie depressiv sie geworden ist. Ohne Therapie rappelt die sich nicht mehr hoch. Und mit der Zeitung wird sie auf keinen Fall darüber reden wollen. Die Wunden sitzen zu tief. Sie ist ein Angsthase.“
    „Wovor hat sie Angst?“
    Ella zog nachdenklich ihren Strickpulli lang. Kleine Ziehfäden guckten aus ihren Löchern, weil sie gedankenverloren an ihnen zerrte. „Weiß ich nicht, meine Schwester ist so’n Typ.“
    Mein Mut sank. Immer wieder holte es mich ein: Sobald ich auf Leute stieß, die etwas Entscheidendes wussten, verschnürte ihnen Furcht den Mund.
    Trotzdem notierte ich die Telefonnummer von Ella, nachdem sie mich wieder mit dem Öl bei meinem Auto abgesetzt hatte.
    „He, wir trinken mal einen Tee zusammen!“, rief sie, drückte auf die Hupe und fuhr winkend davon. Am Heck ihres Opels leuchtete als Abschiedsgruß der knallrote Aufkleber ‚Frauenpower!‘.
    Frauen wie Ella gehörten ins Museum und nicht auf die Landstraße!
     
    Das Lachen verging mir, als ich mein Treppenhaus betrat.
    „Da sind Sie ja endlich!“, kreischte eine Nachbarin, die links unter mir wohnte, und stürzte auf mich zu. Auf halber Treppe machte sie abrupt kehrt und hastete in so raschem Tempo wieder nach oben, dass ihr Rock hoch flatterte.
    Ich wunderte mich über ihr Interesse. Außer einem förmlichen Kopfnicken zum Gruß hatten wir nie eine soziale Geste geteilt.
    Im Hausflur schlug mir nicht nur der übliche Geruch nach abgestandener Luft, Reinigungsmitteln und Essensdüften entgegen, sondern auch aufgeregtes Stimmengewirr. Und die Lärmquelle kam dichter, je weiter ich mich meiner Wohnungstür näherte.
    Eine Gruppe von Leuten, die ich vom Sehen her als Mitbewohner unseres Hauses identifizierte, stand laut debattierend, vor meiner Tür.
    Die Nachbarin von links unten lehnte keuchend am Geländer. Mit letzter Kraft deutete sie auf mich. „Da ist sie!“
    Aus dem Pulk löste sich

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