Mordsschock (German Edition)
einen Kater, um auszubüchsen. Oscar hatte das oft genug zum Ärger der Nachbarin und ihrer Balkonblumen bewiesen.
„Frau Campbell, es tut mir leid, aber Ihr Kater ist tot! Die Nachbarn haben ihn heute Nachmittag im Treppenhaus vor Ihrer Tür auf der Fußmatte schlafen sehen. Es kann sich also nur um Ihren Kater handeln.“ Diskret hatte sich der Polizist, gefolgt von den neugierigen Blicken der anderen Hausbewohner, hinter mir in die Wohnung geschoben. „Vielleicht beruhigt es Sie etwas, dass das Tier nicht lange leiden musste. Jemand hat ihn vor der Kreuzigung mit einem Messerstich getötet, könnte ein Taschenmesser mit einer scharfen Klinge gewesen sein. Er ist verblutet.“
Brechreiz kroch mir die Kehle hoch. Sophies Curryhühnchen drängte gewaltsam ins Freie. Ich presste die Hände vor den Mund und hastete an dem verdutzten Polizisten vorbei ins Badezimmer, wo ich das Hühnchen samt Beilagen und Soße in die Kloschüssel spie.
Der Beamte wartete im Wohnzimmer auf mich. „Und Sie ahnen nicht, wer das getan haben könnte? Es ist sehr unschön, aber ich muss das in mein Protokoll aufnehmen. Haben Sie Feinde?“
Ich schüttelte den Kopf.
„So, so! Sehr unschöne Angelegenheit! Wollen Sie Anzeige gegen Unbekannt erstatten?“
„Ist das sinnvoll?“
Bedauernd senkte er den Kopf. „Na ja, die Mordkommission wird sich natürlich nicht mit dem Fall befassen. Es handelt sich nicht um einen toten Menschen.“
„Lassen wir es!“
„Seien Sie in nächster Zeit vorsichtig! Wenn Sie einen Verdacht gegen jemanden haben, melden Sie sich! Wer ein unschuldiges Tier auf diese Weise attackiert, schreckt vor Gewalttaten nicht zurück. Sehr unschön!“ Er drückte mir seine Karte mit der bekannten Telefonnummer des Polizeireviers in die Hand und verabschiedete sich.
Auf dem Flur war inzwischen der Hauswirt damit beschäftigt, Oscars sterbliche Überreste und die Blutlachen zu entfernen. „So eine vermaledeite Sauerei!“, fluchte er vor sich hin. Selbst schuld, wenn man zu geizig war, um einen Hausmeister zu engagieren!
Ich rollte mich rauchend in einer Wolldecke auf dem Ledersofa zusammen. Vor wenigen Monaten hätte mich Oscars Tod weniger bekümmert. Mittlerweile hatte ich mich an meinen eigenwilligen Mitbewohner gewöhnt. Tante Carlotta schlug bestimmt eben vor Wut über den Mord an ihrem geliebten Oscar einen Salto nach dem anderen in ihrem Grab.
Einen Moment lang wünschte ich, der Kater würde zur Tür hereinstolzieren und auf den Teppich pinkeln. Aber er kam nicht.
Wer tat so was? Hatte meine Nachbarin die Nerven verloren, weil Oscar zum x-ten Male ihre Balkonkästen zerwühlt hatte? Nein, Unsinn! Wen hatte ich verärgert, bevor ich nach Hamburg gefahren war? Frau Hanselmann und ihre Umweltschützer, weil ich ihrem Artikel eine Abfuhr erteilt hatte? Noch bescheuertere Idee. Umweltschützer würden ihre Wut kaum an einem Tier auslassen. Mir fiel niemand ein.
Bis auf ... Ja, er tauchte wieder auf – der große Unbekannte, der mich aus dem Weg räumen wollte. War das seine Rache, weil ich die Polizei eingeschaltet hatte und anstatt meiner Person Herder mit seinen Kollegen zum Treffpunkt auf den Alten Friedhof geschickt hatte?
Ich zog mir die Wolldecke über den Kopf.
Kapitel 21
„Zwanzig Jahre bin ich hier. War nie krank, immer pünktlich und jetzt das!“ Die Riechling schluchzte hemmungslos.
Ich reichte ihr ein Papiertaschentuch nach dem anderen. Kaum hatte sie sich geräuschvoll geschnäuzt, flossen die Tränen erneut. Eine Tüte Himbeerbonbons ragte unangetastet aus ihrer Handtasche. Die Blattspitzen ihrer Grünlilie färbten sich braun.
Ihr Kummer lenkte mich von den Ängsten vor meinem unsichtbaren Feind ab. Ich erzählte niemandem von Oscars Tod, weil die Redaktion sowieso einer Trauergesellschaft glich.
Die Flamstädter machten ihre Drohungen wahr. Die große Wende kam. Alles sollte moderner und rationeller werden. Menschen blieben dabei auf der Strecke. Persönlich adressierte Briefe besiegelten ihre Schicksale an diesem Sommermorgen, an dem die Sonne von einem azurblauen Himmel mit voller Kraft über unsere gramgebeugten Mienen spottete.
Willy und seine Kollegen wurden gestrichen. Ihre Arbeitsplätze nahmen Computer ein, auf denen wir Redakteure selbst die Seiten zusammenbastelten und diese anschließend ins Druckzentrum sandten. Die gesamte alte Technik wurde abgeschafft.
„Schrotthaufen! Sinnloses Gerümpel!“, wetterte Willy zu seinen Kollegen. „Sie schmeißen uns weg. Tut
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