Mordsschock (German Edition)
mir leid, Jungs, aber ihr habt den falschen Beruf! Der ist nämlich aus der Mode gekommen. Euch braucht niemand mehr!“ Große Bitterkeit schwang in seinen Worten mit. Er würde nun in den vorzeitigen Ruhestand gehen. Seine jüngeren Kollegen dagegen mussten es mit Umschulungen versuchen.
Die Kündigung der Riechling kam überraschend. ‚Betriebsbedingte Einsparung‘, hieß es. Es war ein Schock für sie, aber auch für uns andere. In Zukunft musste Wagner seine Korrespondenz alleine erledigen und wir alle etwas mehr arbeiten.
Ja, unser Chef ... Er überlebte die Wende!
Herbie rauchte in seiner Funktion als Betriebsratsvorsitzendem der Schädel. Die Flamstädter versuchten, Gundula und Jelzick, die ihnen aufgrund der vielen Berufsjahre zu teuer waren, ebenfalls rauszukicken, um sie durch günstige Jungredakteure zu ersetzen. Aber Herbie kämpfte und fuhr die Krallen aus.
Sogar Wagner legte ein gutes Wort für seine Redakteure ein und stellte deren Unverzichtbarkeit dar. Ausschlaggebendes Argument war mit Sicherheit die saftige Abfindung, die beiden zugestanden hätte und die die Flamstädter ungern rausrückten. Sie griffen bereits für die Riechling tief in die Tasche.
Geld war für unsere Sekretärin kein Trost. Sie kochte gerne Kaffee, schmierte Schnittchen, goss die gammeligen Redaktionspflanzen, tippte Briefe, führte den Terminkalender und pflegte den Büroklatsch. Sie liebte das Gefühl, gebraucht zu werden. Das hatte man ihr nun geraubt. Was würde sie trösten? Ein riesiger Blumenstrauß oder ein überdimensionaler Pralinenkasten?
„Ich weiß, was ihr gefällt“, versprach Gundula leise. „Ein Leichenschmaus.“
„Wen willst du umbringen?“, forschte Jelzick.
„Die Riechling ist eine Feiernudel und trinkt gerne mal einen über den Durst. Also besaufen wir uns!“
Und das taten wir. In einer billigen Pinte an der Hauptstraße saß die ganze Gesellschaft und soff. Auf den Ehrenplätzen die Riechling, Willy und die anderen aus der Technik. Sogar unser Chef hielt am Anfang mit und spendierte so manche Runde.
Aber Gundula rückte ihm zu nahe auf den Pelz, stieß ihn wie zufällig an und klimperte mit den Augenlidern, wobei sie ihm eifrig nachschenkte.
Wagner suchte das Weite.
Irgendwann trieb jemand zu später Stunde Musik auf. Willy forderte die Riechling zum Tanz auf. Und wie sie tanzte! Die Stimmung stieg auf den Höhepunkt. Jelzick und Herbie hievten die Riechling auf den Tisch. Sie legte dort oben zwischen Gläsern und Flaschen eine Art Polka hin. Bei jedem Schritt jauchzte sie und klatschte in die Hände. Wir feuerten sie nach Leibeskräften an. Für kurze Zeit vergaß sie ihren Schmerz.
Am nächsten Morgen war ihr Katzenjammer mit Sicherheit umso größer, wenn ich mal von meinem Kater (und damit meine ich nicht Oscar, der ja nicht mehr unter uns weilte) auf andere schloss.
Das Klappern meines Briefkastens weckte mich am Sonnabendmorgen. Keine Lust, um aufzustehen, aber mein Horoskop für heute, in das ich gestern Abend bei der Produktion gespickt hatte, versprach ein morgendliches Erlebnis, das unter die Haut ging. Der Wecker zeigte 11.15 Uhr an. Barfuß schlurfte ich zur Wohnungstür.
Im Schlitz steckte ein Wust an Briefen. Ich entwirrte das Papierknäuel. Rechnungen und Mahnungen. Ich hatte mal wieder vergessen, die Telefongebühren zu bezahlen. Die Post teilte mir mit, meinen Anschluss vorübergehend still gelegt zu haben. Prüfend hob ich den Hörer ab. Er schwieg.
Hinter der Kommode, auf der das Telefon stand, klemmte ein weiterer Papierberg. Eine dämliche Angewohnheit, nervige Post dahinter zu versenken! Kein Wunder, dass ich ständig vergaß, irgendwelche Rechnungen zu bezahlen. Demnächst würde noch der Gerichtsvollzieher aufkreuzen.
Ich sank mit den Papieren im Arm wieder ins Bett und haute auf das Kopfkissen. Wann würde ich endlich erwachsen werden? Jahr für Jahr wartete ich darauf, aber es geschah nichts! Ein bisschen Sophie könnte Nina nichts schaden! Ob das das versprochene morgendliche Erlebnis war?
Zwischen den Rechnungen lag eine eingedellte Ansichtskarte. Auf dem Cover schwamm das Walross Antje. Hinten stand in steifen, großen Lettern quer über die Seite geschrieben ‚Ich vermiese dich. Vic.‘ Die Schrift verschwamm, die Tinte löste sich auf. Ich heulte. ‚Mies‘ war die richtige Charakterisierung für mich. Vic hatte unbewusst ins Schwarze getroffen. Ich trocknete meine Tränen mit dem Zipfel der Bettdecke ab. Ganz unten auf der Karte quetschte
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