Mordsschock (German Edition)
ein Satz in winzigen Buchstaben. Drei Minuten lang entzifferte ich die Sauklaue. Vic empfahl mir, einen reichen Mann zu suchen, damit sie bei mir einziehen könnte. Diese uneigennützige kleine Zippe!
Aber so doof war ihr Vorschlag gar nicht. Als Karrierefrau kriegte ich nicht die Kurve. An der Gottesanger-Story biss ich mir die Zähne aus und handelte mir aus Angst vor meinem Feind nichts als panikartige durchwachte Nächte ein. Ich konnte mir an allen zehn Fingern ausrechnen, dass ich die Nächste sein würde, die die Flamstädter über die Klinge springen ließen. Sie müssten sich nicht mit Abfindungen abplagen, und ich würde anschließend zum Arbeitsamt marschieren müssen. Ade, du Traum von einer Hollywoodfamilie mit Vic!
Ich suchte das Sparbuch, das ich für Vic eingerichtet hatte. Ein bisschen mitgenommen lag es im Schuhputzkasten. Immerhin waren noch die 20 Euro drauf, die ich mir seinerzeit von Herbie geliehen hatte. Gar kein schlechter Anfang für ein neues Leben! Mein Horoskop fiel mir wieder ein ...
„Hast du die Lätta? Komm frühstücken!“, forderte ich Ken am Handy auf.
Wenig später schwenkte er eine duftende Tüte frischer Brötchen vor meiner Tür. Ein Versöhnungskuss am Morgen hat Charme und Zahnpastageschmack. Endlich geschah mein morgendliches Erlebnis, das unter die Haut ging!
„Äh, was riecht hier so komisch“, schnüffelte Ken in die Luft, als wir am Frühstückstisch saßen. Er ging, die Nase vorweg, in Richtung Katzenfutter, das noch in seinem Schälchen auf Oscar wartete. „Steht das schon länger?“
„Ja, der Kater ist mal wieder auf Wanderschaft. Einmal war er eine ganze Woche lang verschollen. Irgendwann taucht der halbverhungert auf.“ Wenn ich anderen gegenüber das Theater spielte, konnte ich mir einreden, Oscar wäre irgendwelchen Miezen nachgestiegen. Trotzdem war ich Ken dankbar, als er das vergammelte Futter entsorgte und die Näpfe auswusch.
Spontan fuhren wir an die See und verbrachten das Wochenende mit langen Strandspaziergängen, die wir jedes Mal pünktlich zur Berichterstattung der Fußball-Bundesliga unterbrachen. Weil Ken am Sonntagabend einen auswärtigen Termin hatte, waren wir mit zwei Autos unterwegs. Also fuhr ich alleine nach Rosenhagen zurück.
Tante Carlottas Polo gondelte wie von selbst über die Autobahn, ich schwamm im Sog meiner Gedanken mit.
Ken hatte das erste Mal das Wort ‚Liebe‘ in den Mund genommen. Das veränderte unsere Beziehung. Es berauschte, sich einzubilden, es gäbe einen Mann auf dieser Erde, der ernsthafte Zuneigung für mich empfand. Käme die Liebe doch wie ein Marienkäfer angeflattert und verkröche sich zum ewigen Sommer in meinen Haaransatz, von dem aus sie meinen Körper bis zu den Zehenspitzen durch alle Jahreszeiten wärmen möge! Aber meine Gefühle torkelten wie mein ganzes Leben verworren und unausgegoren umher.
Liebe war ein Wort, das mindestens 500 Kilogramm wog. Zu schwer, als dass ich es bisher gewagt hätte, einem Mann davon zu sprechen. Wieder ein Zeichen für meine absolute Unreife!
Verliebtsein, klar! So’n bisschen Gspusi, Herzklopfen, Amüsement, Sex, Freundschaft. Mehr nicht. Spielte das eine Rolle? Verliebtsein reichte! Das war meine Chance, einmal im Leben vernünftig zu handeln und an meine Zukunft zu denken, in die ich bisher so wenig investiert hatte.
Meine elfjährige Schwester war klüger als ich. Unter ‚einem Reichen‘ stellte sie sich bestimmt keinen Verwaltungsangestellten vor. Aber finanzielle Sicherheit war in meiner Lage nicht zu verachten!
Träumend verließ ich die Autobahn und fuhr auf der Landstraße in Richtung Rosenhagen. An einer Stelle im Niemandsland zwischen zwei Ortschaften führte eine Brücke über die Straße. Dunkel zeichnete sich der kleine Tunnel vor mir ab.
Ich hob einen Moment lang den Kopf, um den blauen Abendhimmel, an dem die Sonne wie ein feuerroter Ball am Horizont unterging, zu betrachten, bevor ich in die Finsternis eintauchte. Eine Handlung, die meiner melancholischen Stimmung entsprang und mir gleichzeitig das Leben rettete.
Ich sah einen dunklen Gegenstand vom Himmel frontal auf mich zufallen. Instinktiv riss ich das Steuer scharf nach rechts herum, sodass der Polo mit quietschenden Reifen um die eigene Achse schleuderte und schließlich auf dem Grünstreifen zum Stehen kam. Ich hörte einen Aufprall. Einen Wimpernschlag lang bedeckte ich die Augen mit meinen Händen. Das war es! Jetzt war es aus!
Irgendjemand röchelte. Ich selbst. In
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