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Mordstheater

Mordstheater

Titel: Mordstheater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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Namen
unterzubringen, während wir uns unterhielten, aber ich bin im Kopf ganz
durcheinander von der Grippe. Dann wurde mir klar, daß es Fitt war, genau wie
Ihrer. Wie geht es ihm? Der alte Halunke.«
    »Ich habe wirklich keine Ahnung«, sagte ich. Es
klang schroff, aber es war die Wahrheit.
    »Keine Ahnung? Er ist doch nicht tot, oder?«
    »Nicht soweit ich wüßte, aber ich habe ihn über
zwanzig Jahre nicht gesehen, und er hat aufgehört, Postkarten zu schicken, als
ich ungefähr zehn war.«
    Agatha schien nicht im geringsten bestürzt über
diese Nachricht. Ihr Gesicht erfüllte sich auch nicht mit einer Art
Plastikmitgefühl, wie das der meisten Leute, wenn sie hören, daß ich ihn nie
sehe. Ich habe die Nase so voll von diesem Blick, der mich immer an Mrs.
Thatchers »betroffenes« Gesicht erinnert, daß ich meinen Vater oder die
Tatsache, daß er sich davongemacht hat, sehr selten erwähne.
    »Unverläßlich wie immer! Meine Güte, es muß gute
fünfundzwanzig Jahre her sein, seit ich ihn zuletzt gesehen habe. Er war ein
äußerst attraktiver Mann. Äußerst attraktiv. Vollkommen verantwortungslos, aber
so ungemein attraktiv. Kein erstklassiger Künstler, glaube ich, und bestimmt
kein erstklassiger Mensch, aber ausgezeichnete Gesellschaft. Eine ganze Gruppe
von uns hat einmal ein Wochenende auf so einer Art prototypischer
Gesundheitsfarm mit Karottenessen zugebracht. Haben wir gelacht, mein Gott, wie
wir gelacht haben.«
    Während sie ihre Erinnerungen erzählte und dabei
die Katze stetig und rhythmisch streichelte, saß ich gespannt in dem dunkler
werdenden Zimmer. Ich hatte meinen Vater nicht als attraktiven Mann in
Erinnerung, obwohl er auf Fotografien zweifellos gut aussah. Ich fand seine
Präsenz immer ziemlich einschüchternd. Er war ein kräftiger Mann, der das
Zimmer auszufüllen schien, und ich erinnere mich, daß er nach französischem
Tabak roch. Vor allem erinnere ich mich an sein Temperament, das nicht oft
aufloderte, aber immer irgendwie um ihn lauerte. Er war kein körperlich
gewalttätiger Mann, aber es lag eine Bedrohung des Grausamen um ihn. Ich war
mir sicher, daß ich ihn nie hatte lachen sehen.
    »Marcus war ein glänzender Erzähler. Von einer
Lüge hat er sich nie an einer guten Geschichte hindern lassen. In jenen Tagen
hingen wir immer in Cafes auf der King’s Road herum und in Soho. Wir haben
damals nicht wirklich getrunken oder viele Drogen genommen — eine Menge von
diesem Sechzigerjahre-Zeug ist reiner Mythos, wissen Sie — , aber wir blieben
bis in die Puppen auf, um zu reden und zu vögeln, natürlich.«
    Agathas Laune schien sich beim Erinnern an diese
Ereignisse enorm aufgeheitert zu haben. Es war jetzt so dunkel, daß ich ihr
Gesicht nicht sehen konnte, aber ich konnte das Lächeln darin hören. Es gab
jede Menge Fragen, die ich ihr stellen wollte, nicht zuletzt, ob sie mit meinem
Vater gevögelt hatte; aber Agathas Gemüt war sehr flatterhaft, und ich hatte
schon zuvor gemerkt, daß sie zu unterbrechen häufig hieß, das Thema zu
wechseln.
    »Das waren goldene Zeiten, Sie können es sich
einfach nicht vorstellen, Sophie. Es ist mir beinahe peinlich, daran zu denken,
wie idealistisch wir waren. Dorothy und ich waren uns natürlich schrecklich nah
damals, praktisch unzertrennlich, und da waren noch ein paar Jazzgitarristen,
kann mich nicht an ihre Namen erinnern, und Jack, natürlich. Wir gingen alle
zusammen zu den Antiatom-Demonstrationen nach Aldermaston. Marcus war immer zu
spät dran, immer mit einer anderen Frau, schnorrte immer ein paar Pfund und hat
sie, wie ich mich entsinne, nie zurückgezahlt. Macht aber nichts. Er war seinen
Preis wert.« Sie redete immer weiter. Wochenenden in Walberswick. Ich hatte ein
paar von den Gemälden mit Strandszenen aus dieser Periode einmal in einer
Ausstellung gesehen. Ferien in Cornwall, wo er anscheinend darauf bestanden
hatte, Krabben zu kaufen und sie lebendig zu kochen, bis sie schrien. Es schien,
als sei die fluktuierende Gruppe von Freunden einander für beträchtliche Zeit
sehr nahegewesen.
    »Was ist wohl aus ihm geworden?« fragte Agatha
sich plötzlich selbst, als ob sie vergessen hatte, daß er irgendetwas mit mir
zu tun hatte. »Nein, ich erinnere mich, er hegte eine große Leidenschaft für
eine kleine Kellnerin, die keinen von uns nur entfernt interessierte. Wir
konnten einfach nichts an ihr finden. Wenn sie den Raum betrat, hörte das
Gespräch einfach irgendwie auf. Und dann lebten wir uns einfach auseinander,
wie es

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