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Mordstheater

Mordstheater

Titel: Mordstheater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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einer
Münzwaschmaschine steckte. Dann trank ich etwas und sagte mir, daß ich ja gar
nicht so aufgeregt war. Dann zog ich das Bett ab und bügelte die frischen
weißen Bezüge mit den Zierstickereien, die mir meine Mutter in einer seltenen
Anwandlung von gutem Geschmack zum Geburtstag geschenkt hatte. Ich bügle sonst
nie. Dann dauerte es Stunden, bis ich einschlafen konnte.

  »Knoblauch!«
krächzte Agatha, als sie leicht
taumelnd die Tür öffnete. »Keine Sorge, es soll ja gut gegen Erkältungen sein.
Was war es denn, indisch?«
    »Chinesisch«, antwortete ich ziemlich verlegen.
    »Aus chinesischem Essen hab’ ich mir nie viel
gemacht, obwohl ich schätze, daß es sich geändert hat, seit ich es das letzte
Mal probiert habe. Ich fand es immer recht lasch.«
    Ich lieferte ihr eine knappe Beschreibung des
Menüs vom Vorabend, und sie sah überrascht aus.
    »Zu meiner Zeit«, sagte sie, »bestand es aus
nichts anderem als dieser grauenhaften, leuchtendroten Soße.«
    »Der süßsauren?«
    »Die ist es. Ich fand sie immer sehr süß und
überhaupt nicht sauer.«
    Ich versicherte ihr, daß seit kurzem eher
Peking- oder Sezuan-Küche als kantonesische in Mode schien.
    »Wenn es mir besser geht, müssen Sie mir ein
Restaurant empfehlen«, flüsterte sie.
    Es war mir ziemlich unangenehm, über solche
Trivialitäten zu reden, wenn es ihr offensichtlich schwer fiel, zu sprechen.
    »Nun kommen Sie, nehmen Sie Platz. Ich werde
mich hinlegen. Diese verdammte Grippe macht mich schrecklich lethargisch. Hier
ist ein Schlüsselbund, falls Sie wiederkommen .Dieses ganze Aufstehen und
wieder Hinlegen wegen Besuchern ist mir einfach zuviel.«
    Sie sah nicht wohl aus. Ihr Haar, das mehrere
Tage nicht gewaschen worden war, hing in fettigen Rattenschwänzen um ihr
Gesicht. Ihre Gesichtsfarbe war fahler als gewöhnlich, und als sie mich in
ihren, wie sie ihn nannte, Tagesraum führte, bemerkte ich, daß ihr Gang müde
war. Sie trug einen japanischen Seidenkimono, der klaffte und einen
unübersehbar alten Hals preisgab. Sie legte sich auf eine Chaiselongue, die mit
goldenem Samt bezogen war, warf eine schmutzig aussehende Schottendecke über
ihre Beine und begann tief aus der Brust heraus zu husten. Ich hatte ein paar
gelbe Chrysanthemen für sie gekauft, die sie niedergeschlagen betrachtete.
    »In den meisten Ländern bedeuten die Tod«, sagte
sie. »Gehen Sie in die Küche, eine Vase holen.«
     
    Die Wohnung bestand aus vier Zimmern, die von
einem ziemlich klaustrophobischen Korridor abgingen. Der Tagesraum war in etwa
im gleichen Stil dekoriert wie ihr Büro — alle Wände waren mit Andenken und
eindrucksvollen abstrakten Gemälden bedeckt, die Möbel eine Mischung aus
viktorianisch und zeitgenössisch. Es wäre sehr dunkel gewesen, wenn die vierte
Wand nicht ausschließlich aus einem Fenster bestanden hätte, das auf einen
Balkon mit Geländer führte, der einen spektakulären Blick auf Hampstead Heath
eröffnete. Die Küche war am anderen Ende des Korridors. Ich vermutete, daß der
Wohnblock, in dem Agatha wohnte, in den Dreißigern oder um den Dreh gebaut worden
war. Die Küche war nicht neu ausgestattet worden. Sie war schockierend schäbig,
mit altmodischen Holzschränken, von denen der hellgrüne Lack abblätterte. Das
einzige Zugeständnis an die zweite Hälfte des Jahrhunderts war eine weiße
Mikrowelle, die so fremd wie ein Raumschiff auf der Zinkeinfassung der Spüle
stand. Es war die Küche von jemandem, der kein Konzept von einem Heim hatte.
Ich fand eine alte Weinkaraffe für die Blumen.
    »Wie ungehobelt ich bin, Schatz«, sagte sie, als
ich zurückkam. »Die Blumen sind entzückend, und ich bin morbide. Ich fühle mich
so gräßlich. Vergeben Sie mir.«
    »Sind Sie bei einem Arzt gewesen?« erkundigte
ich mich, als sie wieder anfing zu husten.
    »Ich habe meinen Diätspezialisten konsultiert.
Ärzte verabscheue ich«, antwortete sie.
    »Aber vielleicht sollten Sie etwas einnehmen?«
    »Ich nehme keine Medikamente. Sie schaden dem
Immunsystem des Körpers. Ich werde sonst nie krank, aber wenn, dann weil der
Körper versucht, sich selbst zu reinigen. Ist nicht religiös gemeint, also
schauen Sie mich nicht so skeptisch an. Es ist etwas Natürliches.«
    Obwohl sich dies für die meisten Leute verdreht
angehört hätte, schlug es eine entfernte Saite in meinem Geist an.
    »Ich denke, mein Vater hat etwas Ähnliches
geglaubt«, sagte ich. Es war ein Fetisch, wie die Reformkost, die meine Mutter
nie hatte verstehen

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