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Mordstheater

Mordstheater

Titel: Mordstheater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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aus, sogar für uns, aber wir aßen heldenhaft mehrere
Stunden lang. Einer der großen Mythen über chinesisches Essen ist, daß es einen
sehr satt macht, wenn man es ißt, und eine Stunde später wieder hungrig. Ich
fand nie, daß das der Fall ist. Während ich aß, dachte ich, ich könnte für
immer weitermachen, aber ich fühlte mich so voll, nachdem wir die Rechnung
bezahlt hatten, daß ich einen Verdauungsspaziergang vorschlug. Martin zögerte
ein bißchen. Mir fiel ein, daß er immer noch um sechs Uhr morgens aufstehen
mußte, um arbeiten zu gehen, aber ich erinnerte ihn, daß es sein Geburtstag war
und daß er außerdem, wenn er direkt nach Hause ginge, von unangenehmen Kindern
belagert werden würde, die über seine Sprechanlage um die traditionellen
Geschenke zu Halloween bettelten.
    Wir liefen den ganzen Weg bis zur Westminster
Bridge und schwatzten. Ich war in der letzten Zeit so in die Arbeit vertieft
gewesen, daß ich mit kaum jemandem außerhalb der Bühnen- und Filmwelt
gesprochen hatte. Martin mag Opern ganz gern, aber sehr viel weiter reicht sein
Kunstinteresse nicht. Es war erfrischend, über andere Sachen zu reden. Es war
eine von diesen typischen kalten, leicht nebligen Londonnächten, und wir gingen
Arm in Arm, um uns warm zu halten. Die Straßenlaternen entlang Whitehall waren
von Heiligenscheinen aus ockergelbem Dunst umgeben, und die Luft roch herbstlich,
wie allmählich verrottende Blätter.
    Er erzählte mir, daß er begonnen hatte, an der
Abendschule Spanischunterricht zu nehmen, und daß es ihm Spaß machte. Das
schien mir außergewöhnlich für jemanden, der so hochqualifiziert war wie
Martin. Er erklärte, daß er nie richtig gelernt hatte, eine fremde Sprache zu
sprechen, und überhaupt, er wolle reisen. Ich sagte, er höre sich wie eine
Miss-World-Kandidatin an. Er sagte, ich hätte zeitweise einen besonders
unerfreulichen vorstädtischen Snobismus an mir. Ich sagte, er werde langweilig
europäisch, und wir verstanden uns im großen und ganzen sehr gut.
    Als er am Parliament Square ein Taxi
heranwinkte, sagte er: »Mit dem hier müßtest du vor der Geisterstunde zu Hause
sein. Gibt es da nicht diesen Aberglauben, an Halloween in den Spiegel zu
gucken und dann den Menschen zu sehen, den man einmal heiraten wird?«
    »Wo um Himmels willen hast du das denn gehört?«
    »Nun ja, von Darryl, um ehrlich zu sein«, sagte
er ganz verschämt.
    Das war noch so etwas, das mir an der Stewardeß
absolut mißfiel. Ich war mir sicher, daß Darryl ein erfundener Name war, und
wenn er echt war, war das irgendwie genauso schlimm.
    »Oh, nein, Martin, du hast doch nicht vor,
einzubrechen und dich von hinten heranzuschleichen, während sie sich abschminkt?«
    »Genau gesagt habe ich einen Schlüssel«, sagte
er und fügte hinzu, als ich überrascht schaute, »damit ich ihre Pflanzen gießen
kann, wenn sie nicht da ist.«
    »Martin, du bist ein kompletter Idiot! Ich
dachte, ich hätte mich heute abend mit einem erwachsenen Menschen unterhalten,
aber ich stelle fest, daß ich falsch gelegen habe. Du bist ein romantischer
Teenager!«
    »Und dich liebe ich auch«, sagte er gutgelaunt
und knallte die Taxitür zu.
    Ich war um Mitternacht zu Hause und muß
peinlicherweise gestehen, daß ich tatsächlich eine Kerze anzündete und mich für
wenige Sekunden hoffnungsvoll vor meinen Drehspiegel stellte, aber meine
Möchtegernvision wurde vom Klingeln des Telefons unterbrochen.
    »Hi, du.«
    »Wer ist dran?«
    »Woa, schlechtes Gedächtnis, Miss Fitt.«
    »Greg? Wie geht’s dir? Wo bist du? Immer noch in
Dublin. Ach so.«
    Warum in aller Welt rief er mich nachts um diese
Zeit an? Ich hatte nichts von ihm gehört, seit er vor Wochen weggefahren war.
    »Ich habe gerade an dich gedacht.« Bei ihm
klangen diese einfachen Worte unglaublich suggestiv. »Ich nehme den
Nachmittagsflug zurück. Können wir uns morgen treffen?«
    Ich sagte, gerne, und wir verabredeten uns in
einer Bar in Camden. Als ich das Telefon hinstellte, zitterte ich. Ich hoffte,
ich war nicht zu kurz angebunden gewesen und ging die Unterhaltung im Geiste
mehrmals durch und wand mich innerlich an der Stelle, wo ich seine Stimme nicht
erkannt hatte. Trotzdem, sagte ich mir, besser, nicht allzu versessen wirken.
Dann sagte ich mir, ich sollte nicht so albern sein. Wir waren viel zu reif, um
Katze und Maus zu spielen. Dann dachte ich darüber nach, was ich anziehen
würde, und erinnerte mich, daß meine ganze gute Unterwäsche unten in

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