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Mordstheater

Mordstheater

Titel: Mordstheater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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schätzungsweise die Leute halt tun... Ich glaube, ich erinnere mich, daß
er geheiratet hat. Ich erinnere mich, daß ich das allerdings für sehr
merkwürdig hielt —«
    Ich fühlte mich verpflichtet, sie an diesem
Punkt zu unterbrechen. Irgendwie hatte das Bild von meiner Mutter, umgeben von
der bunten Schar intellektueller Bohemiens, die Agatha beschrieben hatte, mir
Tränen in die Augen getrieben. Mir ist oft aufgefallen, daß gebildete Leute aus
der Mittelschicht, die sich zu sozialistischen Prinzipien bekennen, sich am
intolerantesten aufführen, wenn sie Leuten begegnen, die sie als geringer
betrachten.
    »Die Kellnerin war, glaube ich, meine Mutter«,
sagte ich verteidigend.
    »Ich vermute, das war dann also der Grund.«
    »Daß er geheiratet hat? Nein, ich glaube nicht,
daß es eine Mußheirat war, wenn Sie das meinen. Ich glaube, mein Vater war
anfangs sehr verliebt.«
    »Nein, nein, nein. Sie verstehen mich falsch,
Schatz. Ich meinte, daß das der Grund dafür war, daß wir ihn nicht mehr gesehen
haben. Er mußte Sie großziehen.« Das klang mir ein bißchen falsch, aber es
freute mich, daß Agatha sich bemühte, die allmählich ungemütlich werdende
Unterhaltung in versöhnlichere Bahnen zu lenken.
    »Natürlich sehen Sie ihm überhaupt nicht
ähnlich. Aber ich glaube, Sie haben etwas geerbt. Beide sehr charmant,
natürlich, und scharfsinnig. Scharfsinn. Ja, Sie sind beide sehr scharfsinnig.«
    Es war eine zweischneidige Beobachtung, die ich
als Kompliment aufzufassen beschloß. Ich versuchte, Agatha dazu zu bewegen, mehr
über jene Zeit zu sagen, aber ich glaubte, sie war argwöhnisch, nachdem sie
offensichtlich einen Nerv bei mir getroffen hatte.
    Ich stand auf und machte das Licht an. Ich gab
ihr einige Briefe, die ich getippt hatte, zum Unterschreiben, und sie
Unterzeichnete mit einer Hand und schirmte mit der anderen das Licht von ihren
Augen ab.
    »Wundervoll, Schatz. Und jetzt, trinken Sie
etwas?«
    Ich sagte, sehr gerne.
    »Sie müssen sich ein Glas aus der Küche holen.
Pressen Sie ein paar Zitronen aus, bitte, und bringen Sie den Honig mit.«
    Ich tat, wie geheißen. Ich fand die
Zitronenpresse in der Spüle unter mehreren Töpfen, die aussahen, als weichten
sie schon tagelang ein. Der Honig stand auf dem Abtropfbrett, ohne Deckel, und
ein Teelöffel stand darin.
    »Im Kühlschrank gibt’s Eis!« rief Agatha von
nebenan.
    Das gab es allerdings. Der größte Teil des
Kühlschranks war Eis, weil er anscheinend nie abgetaut worden war. Ein paar
geöffnete Suppendosen siechten im Kühlschrankteil vor sich hin, und ein
Eiswürfelbehälter steckte im Eisfach fest. Ich hackte ihn mit einem stumpfen
Messer heraus und brachte alles, was ich eingesammelt hatte, auf dem Deckel
einer alten, quadratischen Keksdose zu Agatha hinein, da ich kein Tablett
finden konnte.
    »Würden Sie ein Engel sein, Schatz, und einen
Kessel Wasser für mich kochen? Und diese Tasse spülen.« Sie hielt mir einen
angeschlagenen Becher hin. Ich nahm ihn zaghaft entgegen und wusch ihn, so gut
ich konnte, in der Küche aus. Spülmittel war nicht in Sicht. Ich brachte den
Wasserkessel auf dem uralten Gasherd zum Kochen.
    »Nun«, sagte sie, als ich zurückkehrte, Kessel
in der einen Hand und Becher in der anderen, »in diesem Schrank finden Sie
Whisky.« Sie zeigte auf die kleine Anrichte aus Mahagoni neben mir. Ich beugte
mich hinunter und öffnete sie. Dort stand eine Kiste, die offenbar zwölf
Flaschen Glenmorangie enthalten hatte. Die ersten zwei Reihen waren leer und
die dritte enthielt eine halbvolle Flasche. Ich reichte sie Agatha.
    »Möchten Sie ihn pur, mit Eis, oder meinen
speziellen Hot Toddy Whisky Sour, hervorragend gegen Schnupfen.«
    Ich habe es nicht so mit Whisky, aber da mir
keine Wahl blieb und ein flüchtiger Blick in die Anrichte gezeigt hatte, daß es
nichts anderes gab, bat ich um eine kleine Portion pur. Ich dachte, das
abgestanden riechende Eis würde mich vergiften.
    »Ich glaube nicht, daß mein Diätspezialist es
auf leeren Magen gutheißen würde«, sagte Agatha, »aber zum Teufel, was soll’s!«
Sie nippte an dem heißen Cocktail, den sie 1 sich gemixt hatte, und als er kalt
genug war, kippte sie ihn auf einmal hinunter und seufzte.
    »Möchten Sie, daß ich Ihnen etwas zum Abendessen
hole?« erbot ich mich.
    »Wie nett Sie sind«, sagte Agatha, als sei sie
überrascht. :) Mir schien es ein ganz normales Angebot. In jedem Fall dachte
ich nur an eine Pizza aus dem Imbiß am South End Green. »Aber

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