Mordstheater
davor.«
»Vielleicht hattest du sie an einem schlechten
Tag gesehen.«
»Vielleicht.«
»Und sowieso kann es sein, daß sie sie nicht
selbst saubergemacht hat. Sie hat wahrscheinlich eine Putzfrau.«
»Stimmt... Aber da stellt sich noch die Frage
mit Chutney.«
»Was?«
»Agathas Kater. Er heißt Chutney. Anscheinend
hatte er mal einen rötlichgelben Bruder, der Mango hieß. Jedenfalls, warum
hätte Agatha ohne ihn sein wollen?«
»Ich würde denken, daß sie wahrscheinlich andere
Dinge im Kopf hatte«, sagte Martin. »Sieh mal, Soph, ich weiß, wie schlimm dir
deswegen zumute ist — es ist schrecklich, daran zu denken, daß jemand, den du
kennst, sich umbringen wollte — , aber es sieht sehr danach aus, daß sie eben
das getan hat, und je schneller du dir das eingestehst, desto schneller wirst
du darüber hinwegkommen.«
Ich schob den Rest meines Essens beiseite.
»Die Sache ist, je mehr ich darüber nachdenke,
desto unwahrscheinlicher kommt es mir vor. Sie war einfach nicht der Typ
dafür.«
»Aber das weißt du doch nicht. Du hast selbst
gesagt, daß du eigentlich gar nichts über sie wußtest.«
»Trotzdem darf ich ja wohl auf meine Intuition
hören. Du redest, als hätte ich nichts damit zu tun. Das habe ich aber. Ich
meine, ich war diejenige, die sie ins Krankenhaus brachte, und sie hat diese
Notiz an mich geschrieben.«
»Ehrlich, Soph, ich glaube, du stehst immer noch
ein bißchen unter Schock. Zwei Wörter sind wohl kaum eine Notiz, und sie kann
sie vor Ewigkeiten geschrieben haben, nach allem, was du weißt. Ich weiß, es
ist eine unschöne Sache, die da passiert ist, aber ich glaube, wir sollten
Zusehen, daß du über etwas anderes nachdenkst.«
Ich gab nach. Er hatte wahrscheinlich recht. Wir
plauderten beim Kaffee gekünstelt und beklommen über Trivialitäten und standen
dann auf, um zu gehen. Es wurde bereits dunkel, und ein grausamer Novemberwind
wehte. Martin schlug vor, ein Taxi zurück zu mir zu nehmen, und daß ich zu Bett
gehen und versuchen sollte, etwas Schlaf zu bekommen. Er bot an, bei mir zu
bleiben, als ich ihn unterbrach.
»Ich glaube, ich gehe einfach und schaue mich in
Agathas Wohnung um.«
»Das kannst du nicht machen, Soph. Jetzt wirst
du albern. Was könntest du da denn wohl finden? Die Polizei hat sie wahrscheinlich
durchgekämmt. Und außerdem bin ich mir sicher, daß es illegal wäre.«
»Noch habe ich die Schlüssel.«
»Soph, das kannst du nicht machen.«
»Doch, kann ich. Es hängt allein davon ab, ob
ich dazu bereit bin oder nicht. Ich will einfach nur beruhigt sein, das ist
alles. Ich möchte nachsehen, ob es eine Liste von Dingen gibt, von denen sie
will, wollte, daß ich sie erledige. Du brauchst ja nicht mitzukommen. Ich komme
schon klar.«
Martin sah gereizt aus. Er kennt mich gut genug,
um zu wissen, daß ich sehr stur sein kann.
»Bitte tue es nicht. Aus Gefallen für mich!«
bettelte er.
Nichts sah anders aus als am Abend davor, außer
daß der Becher neben dem Bett weggenommen worden war; er hatte einen Ring auf
der Holzfläche hinterlassen. Auf dem Tisch an der anderen Seite von Agathas
Bett lagen Agathas Füllfederhalter ohne seine charakteristische
Mont-Blanc-Kappe und ein leerer selbstklebender Notizblock, von dem die Polizei
vermutlich den Zettel abgerissen hatte, den Mr. Middlemarch mir gezeigt hatte.
Das Tageszimmer sah genauso aus wie während der Woche, mit Stapeln von
Aktenordnern und Papieren überall, aber ich konnte keinerlei Nachricht oder
Liste für mich entdecken. Die Tür der Anrichte war offen, und als ich sie
schließen wollte, sah ich, daß von den neun vollen Flaschen Glenmorangie vom
Mittwoch nur noch sechs übrig waren. Der Kater schlief auf der goldsamtenen
Chaiselongue. Ich fragte mich gerade, wer sich jetzt um ihn kümmern würde, als
ich das Geräusch von Schlüsseln in der Tür hörte. In einer Aktion, die rückblickend
äußerst komisch erscheint, schoß Martin ins Badezimmer in Deckung. Ich stand
wie festgebannt im Tageszimmer, als Dorothy hereinkam.
»Hallo«, sagte ich so natürlich wie möglich.
»Ich bin nur vorbeigekommen, um nachzusehen, ob ich irgendwelche Arbeit
mitnehmen kann.«
»Oh. Ich bin bloß hier, um den Kater
mitzunehmen. Jemand muß sich um ihn kümmern. Obwohl Jack mich umbringen wird,
weil er allergisch gegen Katzen ist.«
»Na dann«, sagte ich. Es fiel mir erst später
ein, daß Dorothy, die als nächste Verwandt jedes Recht hatte, in der Wohnung zu
sein, sich genauso nervös benahm wie
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