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Mordstheater

Mordstheater

Titel: Mordstheater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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ich, die überhaupt kein Recht dazu hatte.
    »Ich bin mit einem Freund hier«, sagte ich. »Er
benutzt nur mal die Toilette. Ich hoffe, das ist in Ordnung?«
    »Selbstverständlich.«
    »Oh, also gut. Ich nehme nur eben diesen Stoß
hier mit«, sagte ich und deutete aufs Geratewohl auf einen Stapel von Papieren,
auf dem Agathas Diktiergerät lag. »Anthony hat mich gebeten, alles
einzusammeln, wissen Sie, nur damit nichts Unerledigtes liegen bleibt«,
erklärte ich umständlich.
    »Ich hatte nicht gedacht, daß Sie heute im Büro
sein würden«, bemerkte Dorothy kühl.
    »War ich auch nicht«, stotterte ich. »Aber er
hat mich angerufen.«
    »Ach so. Ja, klar. Er war schon immer
gründlich«, fügte sie verächtlich hinzu.
    Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
Ich war fast bei einer Lüge ertappt worden. Es wurde Zeit, zu gehen. Ich
klopfte an die Badezimmertür.
    »Martin? Ich bin fertig. Willst du den ganzen
Tag da drin bleiben?« rief ich um einiges lauter, als nötig gewesen wäre. Die
Tür ging so schnell auf, daß es offensichtlich war, daß Martin durch das
Schlüsselloch zugehört hatte. Glücklicherweise war Dorothy noch im Tageszimmer.
    Wir schafften es, uns bis zum Aufzug
zusammenzureißen, aber sobald er nach unten fuhr, brachen wir beide in
Gelächter aus. Die letzten fünf Minuten waren so spannungsgeladen gewesen.
    »Ich weiß nicht, warum du die Schauspielerei
aufgegeben hast, Soph. Mit dem Auftritt hättest du einen Oscar gewinnen
können.«
    »Ja, und wo warst du, als ich dich brauchte?«
    Martin erwiderte meinen wütenden Blick.
    »Glaub bloß nicht, du kannst die
Maid-in-Not-Masche mit mir abziehen«, sagte er. »Es war ganz und gar dein
Fehler, daß wir überhaupt da drin waren.«
    »OK.« Ich hob geschlagen die Hände.
    »Bist du denn jetzt beruhigt?« fragte er, als
wir an den Mülltonnen vorbei die Einfahrt zur Straße hinunterliefen.
    »Ich denke schon. Trotzdem kann ich mich noch
nicht daran gewöhnen.«
    »Na ja, es ist ja auch erst vierundzwanzig
Stunden her, daß es passiert ist. Komm, laß uns im Flask was trinken gehen.«

  Am Dienstagmorgen
wachte ich sehr früh auf und
dachte, ich hätte wieder einen schrecklichen Alptraum gehabt. Als mir die
Wahrheit dieses Mal bewußt wurde, fühlte ich mich leer und deprimiert. Wie ein
Roboter machte ich mir etwas Kaffee und Toast, setzte mich an den Tisch und
versuchte, mich damit abzulenken, daß ich die Sonntagszeitungen las. Mehrere
Minuten später stellte ich fest, daß ich nichts mitbekommen hatte. Die Wörter
verschwammen auf der Seite. Ich war anscheinend nicht in der Lage, sie zu
sortieren. Ich legte mich in die Badewanne, bis ich merkte, daß ich vor Kälte
zitterte, und probierte mehrere Garnituren an, bis ich entschieden hatte, was
ich anziehen wollte. Nachdem ich fast bis zum Punkt der Erschöpfung im Geiste
die Ereignisse vom Sonntag durchgegangen war, schwenkte mein Gehirn zum Samstag
über und zu dem Telefongespräch, das ich mit Agatha geführt hatte. Je mehr mir
wieder einfiel, desto mehr Schmerz empfand ich dabei. Wenn ich nicht so
verdammt egoistisch gewesen wäre, hätte ich ihr möglicherweise das Leben
gerettet. Aber warum in aller Welt hatte sie mich angerufen? Sicherlich hatte
sie doch Freunde, mit denen sie reden konnte. Oder war sie so besessen von
ihrer Arbeit, daß sie mir eine Liste mit unerledigten Pflichten geben wollte,
bevor sie starb? Aber warum hätte sie sich überhaupt umbringen sollen? Wie auch
immer, ich hatte ihr gegenüber versagt.
    Das Schuldgefühl wurde unerträglich, und ich war
wütend auf mich und alle anderen. Ich verfluchte meine Mutter und Reg dafür,
daß sie fort waren. Ich wollte diese Art Geborgenheit, wie sie einem nur von
der Familie gegeben werden kann, wollte gesagt bekommen, daß es nicht mein
Fehler war. Aber je mehr ich darüber nachdachte, desto eher sah ich es als eben
das.
    Schließlich zwang ich mich, ins Büro zu gehen.
Ich konnte es nicht aushalten, mich noch länger zu quälen. Wenigstens konnte
ich draußen den Zorn, den ich gegen mich selbst hegte, gegen jemand anderes
richten — wie dann der Taxifahrer feststellen mußte, nachdem er den Fehler
gemacht hatte, zu mir zu sagen: »Kopf hoch, Mädel, vielleicht kommt’s ja gar
nicht so weit!«
     
    Zu meiner Überraschung stellte sich das Büro an
diesem Tag als rettender Hafen heraus. Es war leichter, mit Leuten
zusammenzusein, die Agatha kannten. Janet war äußerst fürsorglich, obwohl ich
unfreundlicherweise bei

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