Mordstheater
konnte.
»Soph, bist du in Ordnung?« Es war Martin.
»Oh, Entschuldigung Martin, ich dachte, du wärst
der Untersuchungsbeamte vom Leichenbeschauer.«
»Soph. Was zum Teufel ist los?«
Seine Stimme klang so besorgt und beruhigend,
daß ich umgehend in Tränen ausbrach. Ich konnte kein einziges Wort
herausbringen, weil das Weinen, sobald es angefangen hatte, in großen,
stöhnenden Schluchzern kam und ich es nicht stoppen konnte.
»Soph. Hör mir zu. Ich komme vorbei, jetzt
sofort. Warte einfach, bis ich da bin, bitte. Hörst du?«
Ich brachte etwas zustande, das so ähnlich wie
>ja< klang.
Bis Mr. Middlemarch wieder anrief, hatte ich
mich ein bißchen gefaßt, eine Tasse Kaffee gemacht, wie er mich angewiesen
hatte, und ihn gerade ausgetrunken.
Ich sagte ihm, er könne um zehn vorbeikommen.
Ich rief im Büro an und sprach mit Janet. Sie sagte, die Polizei sei dagewesen,
und daß Anthony die wichtigsten Klienten informieren werde. Sie würde alle
Anrufer abwimmeln, aber sie hatte keine Ahnung, was sie den Leuten erzählen
sollte. Sie klang beinahe aufgeregt, als ginge es um eine größere Machenschaft
in ihrer Lieblingsseifenoper, was es, nehme ich an, in gewisser Weise auch war.
Ich sagte ihr, sie solle Anthony mitteilen, daß ich den Tag frei nahm, falls er
fragte.
Mr. Middlemarch hatte das Benehmen von jemandem,
der mit dem Tod vertraut war. Er war ein großer Mann unbestimmbaren Alters mit
grauem Haar, der ein wenig aussah wie John Major, aber mit Schnurrbart. Ich bin
noch nie einem Leichenbestatter begegnet, aber wenn, stelle ich mir vor, daß er
Mr. Middlemarch ähneln wird. Hinter der schleimigen Betroffenheit in seiner
Stimme lag jedoch eine stählerne teilnahmslose Klangfarbe, die mich ziemlich
nervös machte.
Ich bot ihm einen Kaffee an, aber er lehnte ab.
Während ich etwas Platz auf meinem Eßtisch schuf, der mit ungelesenen
Sonntagszeitungen bedeckt war, bemerkte ich, wie er ganz sorgfältig den Raum
inspizierte, als mache er sich im Geist Notizen. Dann begann er, mich in seiner
monotonen Stimme zu befragen. Die Einzelheiten zu meiner Person erledigten wir
recht schnell, und dann bat er mich, die Ereignisse des vorangegangenen Abends
zu beschreiben. Zu meinem Schrecken kicherte ich. Teils waren es die Nerven,
und teils, weil es so eine klischeehafte Phrase schien.
»Sie hören sich genau an wie ein Polizist in
einem Film«, sagte ich kläglich zur Erklärung.
»Ich bin Polizeibeamter«, erwiderte er
ruhig. »Es ist meine Arbeit, jeden Todesfall zu untersuchen, der unter
unnatürlichen Umständen ein tritt.«
Plötzlich nahm unser Treffen eine vollkommen
andere Bedeutung an. Mir wurde klar, daß ich dabei war, eine polizeiliche
Aussage zu machen, und das jagte mir Angst ein. Besonders, da ich mit einer
Erklärung loslegen mußte, warum ich in der Wohnung gewesen war, was, wie ich glaubte,
auf Einbruch hinauslaufen würde. Ich wünschte mir, Martin würde eintreffen.
Inzwischen hatte ich sowenig Vertrauen zu meinem eigenen Urteilsvermögen, daß
ich zu zweifeln begann, ob er überhaupt angerufen hatte.
»Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich eben zur
Toilette gehe?« sagte ich, um Zeit zu schinden.
»Ganz und gar nicht.«
Ich saß so lange auf der Toilette, wie es
anstandshalber möglich war, kam aber zu keiner Schlußfolgerung.
»Was glaubt man, ist Agatha zugestoßen?« fragte
ich, als ich ins Zimmer zurückkam.
»Das ist es ja gerade, was wir festzustellen
versuchen«, erwiderte er kühl.
Ich sah ein, daß ich keine andere Wahl hatte als
anzufangen, und ich beschrieb sehr schlicht, woran ich mich erinnern konnte.
Als ich fertig war, bedankte er sich und sagte, es gäbe nur noch einige wenige
Fragen, die er mir stellen wolle.
»Trank Miss Brown Ihres Wissens nach exzessiv?«
Ich sagte, daß sie eine ganze Menge getrunken
habe, ich aber nicht sicher sei, wieviel erforderlich war, um es als Exzeß
bezeichnen zu können. Ich merkte, wie ich genauso pedantisch wurde wie er.
»War sie Ihres Wissens sehr unglücklich?«
»Meinen Sie damit, man glaubt, sie hat sich
umgebracht?«
»Finden Sie das schockierend?«
Ich dachte darüber nach.
»Ja, das finde ich tatsächlich. Ich hätte mir
einfach nicht vorstellen können, daß sie der Typ dafür ist, aber andererseits
kannte ich sie nicht sehr gut..., gab es einen Abschiedsbrief?«
»Es tut mir leid, aber ich bin nicht befugt,
diese Information weiterzuleiten.«
Allmählich fand ich die Befragung frustrierend.
Erfragte mich nach meiner
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