Mordstheater
ein echt toller Film.«
Ich verbrachte den Freitagabend in einem Zustand der Raserei gegen
mich selbst. Was mich am meisten ärgerte, war, daß ich jetzt alle
Glaubwürdigkeit bei der Polizei verloren hatte. Wenn es bei Agathas Tod nicht
mit rechten Dingen zugegangen war, würde ich sie nun kaum noch dazu bringen
können, ihn zu untersuchen. Ich wünschte, ich hätte logisch über die dummen
Botschaften nachgedacht.
Ich beschloß, Agathas letzte Tage mit
wissenschaftlicher Gründlichkeit aufzuzeichnen und alle Fakten, die mir bekannt
waren, in ein Diagramm einzutragen. Ich nahm ein paar Filzstifte und ein
Lineal, teilte ein Blatt Papier in fünf gleich große Spalten auf und betitelte
sie mit den Wochentagen.
In den Mittwochsteil setzte ich meinen Namen und
dahinter Dorothys. Donnerstag und Freitag waren leer. Ich erschien in Klammern
am Samstag, was das Telefongespräch bezeichnete, dann ebenso am Sonntag. Alles,
was ich darüber hinaus wußte, war, daß drei Flaschen Whisky konsumiert worden
waren, die Küche geputzt und die Katze hinausgelassen worden war. Es war nicht
viel, wovon ich ausgehen konnte. Vielleicht war ich ja wirklich paranoid.
Am Samstag fühlte ich mich nicht danach, irgend
jemanden zu sehen. Ich wollte etwas Zeit für mich, um meinen Kopf zu klären,
oder ihn wenigstens mit anderen Bildern zu füllen. Ich ging zum Leicester
Square, aß riesige Mengen Dim Sum und fand mit Hilfe von Time Out vier
Filme, die ich sehen wollte, stimmte ihre Vorstellungszeiten aufeinander ab und
bewegte mich für den Rest des Tages von einer Leinwand zur nächsten. Zuletzt
kam eine Mitternachsvorführung eines Filmes über einen Geist, der zurückkommt,
um seinen Mörder zu finden. Das war ein Fehler. Als ich nach Hause kam, ging
ich ins Bett und träumte, daß Agatha einen Vertrag für ihren eigenen Tod
aushandelte und hinter mir stand, während ich ihn auf einer mechanischen
Schreibmaschine tippte. Ich wachte aufgewühlt auf und hob den Telefonhörer ab,
noch halb in der Erwartung, mit dem Diktat fortfahren zu müssen.
»Tut mir leid, daß ich so früh anrufe, aber wir
sind gerade hereingekommen und da dachte ich, ich sage eben Bescheid, daß wir
wieder zu Hause sind.«
»Mama!«
»Oh, wir hatten eine herrliche Zeit, aber das
Flugzeug hatte Verspätung, und es kommt mir vor, als seien wir stundenlang
unterwegs gewesen... Moment... Reg sagt, wir sind stundenlang unterwegs
gewesen!«
»Ich bin so froh, dich zu hören.«
»Ich dachte, du könntest dir Sorgen machen.«
»Nein, ich meine, ja.« Bei all dem Hin und Her
hatte ich vollkommen vergessen, daß sie am späten Samstagabend nach Hause
kommen sollten, und es war mir nicht in den Sinn gekommen, mich darüber zu
wundern, daß sie sich nicht gemeldet hatten.
»Warum kommst du nicht heute zum Abendessen. Es
sind genug Sachen im Gefrierschrank, und wir können mit unserer Bräune angeben,
bevor sie wieder verblaßt.«
Ich sagte, sehr gern, und vereinbarte, gegen
sieben dort zu sein.
Ich liebe den Weg von der U-Bahn-Station Pinner
zum Haus meiner Mutter. Die Hauptstraße hat etwas sehr Tröstliches mit ihren
kleinen Geschäften und Restaurants, die liebevoll erhalten werden und deren
Fenster mit bescheidenem Weihnachtsschmuck beleuchtet waren. Sogar der Eingang
zum Sainsbury’s ist getarnt, so daß ein Durchreisender nie auf die Idee käme,
daß dahinter ein riesiger Supermarkt lauert. Im Lebensmittelgeschäft kaufte ich
eine Flasche von der Sorte süßen deutschen Weins, für den meine Mutter eine
Vorliebe hat, und der Inhaber begrüßte mich herzlich; zweifellos erinnerte er
sich an das ganze Geld, das meine Schulfreunde und ich immer für Süßigkeiten
und später Zigaretten in seinem Laden ausgegeben hatten.
»Sie haben sich die Haare schneiden lassen«,
sagte er, als sei er überrascht, daß ich mich überhaupt von der
Fünfzehnjährigen in langen Socken und mit Zöpfen, die er immer bedient hatte,
unterschied. »Ist eine nette Abwechslung, obwohl Sie so ganz anders aussehen
als ihre Mutter.«
Ich wußte, daß das kein Kompliment war, bedankte
mich aber trotzdem.
Ich ging weiter hoch, an der Kirche vorbei, und
bog in unsere Straße ein. Wie ich war meine Mutter ein Einzelkind. Ihre Eltern
starben bei einem Autounfall, als ich ein Baby war, was verheerend für sie
gewesen sein muß, weil sie sich immer sehr nahegestanden hatten, sogar noch,
als sie meinen Vater heiratete, den sie ihrer schönen Tochter nicht für wert
erachteten. Auch wenn sie
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