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Mordstheater

Mordstheater

Titel: Mordstheater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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Aufwallen von Liebe für meine Mutter, die niemals
verstehen würde (und warum sollte sie?), daß als Kellnerin in einem Cafe in
Soho zu arbeiten wahrscheinlich kein Gesprächsthema für die plaudernden
Schichten war, Theateragentin zu sein hingegen schon.
    »Erinnerst du dich noch an irgendjemand anderes
aus dieser Clique?« fragte ich.
    »Es wechselte ständig, verstehst du. Sie waren
sehr populär, kannten werweiß wie viele Leute, obwohl ich immer dachte, daß es
ein bißchen oberflächlich war. Sie waren nicht wirklich Freunde, wenn du weißt,
was ich meine. Agatha hatte jedesmal einen anderen Mann. Oft mehrere
verschiedene an einem Abend. Es gab einen Burschen, der ein ziemlicher
Stammkunde war. Kann mich nicht an seinen Namen erinnern. Marcus nannte ihn
immer den Buchmacher, weil er wie einer aussah. Uns wurde nie klar, was sie in
ihm sahen —«
    »War das Jack?«
    »Nein, ich glaube nicht. Das war der
Gutaussehende, der mit ihrer Schwester durchbrannte, oder? Nein, der war ganz
nett zu mir, als ich ihn mal traf. Er war nicht so ein Snob, eher normal. Nein,
der Buchmacher hieß irgend etwas wie Terry, so was Ähnliches... Was mich damals
umgehauen hat, waren all die arroganten Allüren. Marcus hat gesagt, das sei
sowieso alles Schwindel, weil sie nicht wirklich aus der Upper dass kamen, wie
sie Vorgaben, sondern eigentlich ganz gewöhnliche —«
    Wenn meine Mutter das Wort >gewöhnlich<
sagt, schürzt sie hinterher die Lippen. Es ist eines der abschätzigsten Wörter
im Vokabular von Pinner. Mir fiel ein, daß es ein Wort war, das mir bei der
Beerdigung durch den Kopf gegangen war, als die alte Dame sprach, die Dorothy
begleitete. Ihre Stimme hatte einen ziemlich starken Londoner Akzent, was mich
überrascht hatte, weil es nicht zu den Stimmen von Dorothy oder Agatha paßte.
Ich fragte mich wieder, wer sie war.
    »Er dachte wohl, das sei ein guter Witz.« Sie
war mit dem Abspülen des letzten Topfes fertig. »Möchtest du eine Tasse Tee?«
    Ich sagte, sehr gerne. Aus ihrer Beschreibung
konnte ich sehen, warum meine Mutter Agatha nicht mochte, aber ich hatte das
Gefühl, daß das, was sie mir erzählt hatte, kaum den emotionalen Nachdruck in
ihrer Stimme kürzlich am Telefon rechtfertigte. Sie behielt etwas für sich.
    »Aber ich sollte nicht weiterreden«, sagte Mama.
»Ich meine, die arme Frau. Niemand hätte ihr das gewünscht.«
    Ich merkte, daß das Gespräch für ihr Gefühl
jetzt beendet war, aber ich war entschlossen, weiterzubohren. »Warum hast du
aufgehört, dich mit ihnen zu treffen?« sagte ich.
    »Oh, ich nehme an, daß du unterwegs warst und
wir uns irgendwie auseinandergelebt haben.« Fast die gleichen Worte, die Agatha
benutzt hatte. Ich glaubte sie jetzt genauso wenig wie damals.
    »Hat mein Vater sie wiedergesehen?« fragte ich
und hatte beinahe Angst, daß die Antwort positiv sein würde.
    »Oh, nein. Absolut nicht. Es war tatsächlich
seine Entscheidung, es nicht zu tun. Er war fest entschlossen. Ich kann
allerdings nicht sagen, daß ich traurig darüber gewesen wäre...« Sie unterbrach
sich, als sie merkte, daß sie sich eine ziemliche Blöße gegeben hatte. Ich
schaute sie direkt an. »Nun, ich vermute, es macht nichts, wenn ich es dir
jetzt erzähle. Ich hätte es vorher nicht getan, aber da die arme Frau tot ist —«
    »Was?«
    »Na ja, wie du dir wahrscheinlich ausgerechnet
hast, war ich schon ein kleines bißchen schwanger, bevor dein Vater und ich
heirateten.«
    »Ja, das hatte ich ausgerechnet.«
    »Trotzdem haben wir uns gefreut. Ich hatte immer
ein Baby gewollt, und Marcus war entzückt wie sonstwas. Eine Zeitlang erzählten
wir es niemanden, und ich war damals sehr schlank, und es war nichts zu sehen.
Eines Abends waren wir alle zusammen ausgegangen, außer daß Marcus zu spät kam.
Ich konnte keinen Alkohol trinken, weil mir davon schlecht wurde, als ich
schwanger war, und Agatha machte ständig Witze über mich. Ich war so bedient,
daß ich ihr zuflüsterte, warum ich nicht trinken konnte. Ich glaube, sie muß
gedacht haben, daß ich ihr ein Geheimnis erzähle, obwohl sie der letzte Mensch
gewesen wäre, dem ich mich anvertraut hätte, aber das tat ich gar nicht, ich
flüsterte nur, damit die anderen es nicht hörten, weil wir uns eigentlich noch
nicht entschlossen hatten, es jemandem zu erzählen. Na ja, sie nahm mich
beiseite und sagte mir, ich dürfe nicht daran denken, das Baby zu bekommen. Es
würde Marcus in seiner Karriere beeinträchtigen, ich sei zu jung,

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