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Mordstheater

Mordstheater

Titel: Mordstheater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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auf den Waschsalonstapel. Ich bezog das
Bett mit einfachen, dunkelblauen Batistlaken und legte etwas zum Anziehen für
den nächsten Morgen über einen Stuhl. Die Farbe, die ich am meisten trage, ist
Schwarz, aber nach der letzten Woche war ich bedient von den Konnotationen,
also wählte ich fast das Gegenteil, ein muschelrosa Boucle-Kostüm mit
kragenloser Jacke und kurzem Rock, das Jerrys Lieblingskleid gewesen war; aus
eben diesem Grund hatte ich es seit Ewigkeiten nicht mehr getragen. Ich konnte
nicht widerstehen, es mal wieder anzuprobieren, und war, wie ich zugeben muß,
ziemlich erfreut darüber, daß ich um die Hüften herum abgenommen hatte.
     
    Anthony zog die Augenbrauen hoch, als ich ins
Büro kam, die Aktentasche in der Hand und in meinen femininen, aber ach so
teuren Klamotten. Er diktierte Janet, hörte aber mitten im Satz auf und
taxierte mich. Ich schätze, ich muß entschieden anders ausgesehen haben als das
tropfende Bündel, dem er zuletzt im Krematorium begegnet war.
    Er pfiff mir anerkennend hinterher. Es war eine
ordinäre Geste, und sogar Janet sah überrascht aus. Außerdem schaute er zweimal
hin, als wäre ihm momentan die Beherrschung entglitten, und hustete gekünstelt.
    Ich grüßte auf, wie ich dachte, würdevolle
Weise, legte dann meine Aktentasche auf meinem Schreibtisch ab und begann, die
Post zu öffnen. Ich wollte so effizient wirken, wie ich konnte, nach dem
Debakel am Freitag.
    Ich sortierte die Unterlagen aus, für die ich
Anthonys Rat brauchte, und nahm sie mit zu ihm hinein. Er ging sie mit mir
durch und machte einige schmeichelhafte Bemerkungen dazu, wie ich mich
entschieden hatte, diverse Angelegenheiten zu regeln. Dann sagte er: »Ich höre
von Janet, daß Sie am Freitag die Polizei gerufen haben.«
    »Ja. Das tut mir leid. Ich denke, es muß der
Streß gewesen sein. Ich war ein bißchen durcheinander. Ich habe diese beiden
Drohbriefe gefunden und versucht, zwei und zwei zusammenzuzählen. Bloß ist dann
eben zweiundzwanzig dabei rausgekommen.« Ich wand mich vor Verlegenheit.
    »Ich frage deshalb«, sagte er, »weil ich selber
Zweifel habe.«
    »Wirklich?« gab ich zurück, so nonchalant, wie
ich konnte. »Was für Zweifel?«
    »Es will mir scheinen, daß wir alle zu voreilig
gewesen sind. Sie haben offenbar Ihre Zweifel, und jetzt, auch wenn ich
zunächst überzeugt war, habe ich das Gefühl, daß ihr Tod doch noch Fragen
aufwirft. Meine Theorie ist ein wenig langweiliger als Ihre. Es kommt kein
wahnsinniger Axtmörder-Autor darin vor.« Er blinzelte mir gönnerhaft zu. »Ich
denke, es muß ein Unfall gewesen sein.«
    »Wie kommen Sie denn darauf?« fragte ich mit
gespielter Überraschung.
    »Anscheinend ist es nicht ungewöhnlich. Ich las
vor einiger Zeit etwas in der Zeitung darüber.«
    Warum hatte eigentlich jedermann diesen Artikel
gesehen außer mir?
    »Warten Sie einen Moment«, sagte ich und gab
vor, nicht zu verstehen, wovon er redete. »Sie glauben, daß sie aus Versehen
eine Überdosis genommen hat?«
    »Es ist eine Möglichkeit, meinen Sie nicht?
Haben Sie nicht selbst gesagt, daß sie fröhlich wirkte, als Sie das letzte Mal
mit ihr sprachen?«
    »Wann haben Sie eigentlich zuletzt mit ihr
gesprochen?« fragte ich und versuchte, so gut ich konnte, meine Stimme im Griff
zu behalten.
    »Oh, Donnerstag, glaube ich«, sagte er und sah
dabei, wie ich fand, etwas unbehaglich aus.
    »Und wie hat sie sich angehört?«
    »Ganz die alte.«
    »Nun«, sagte ich, »vielleicht sollten Sie das
Mr. Middlemarch mitteilen, wenn Sie wirklich davon überzeugt sind.«
    »Oh, das habe ich«, sagte er und brachte mich
damit ziemlich aus der Balance.
    Mir war nicht recht wohl dabei. Warum legte
jemand, der behauptet hatte, bestürzt, aber nicht überrascht über Agathas
Selbstmord zu sein, auf einmal nahe, daß es ein Unfall gewesen war? Und warum,
wenn er den Coroner schon von seinen Zweifeln informiert hatte, erzählte er mir
das? Ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Den Rest des Vormittags brachte
ich damit zu, weitere Daten in den Computer einzugeben, aber mein Kopf
schwirrte vor Hypothesen. Schließlich schützte ich eine Migräne vor und bat
darum, den Rest des Tages freinehmen zu dürfen. Anthony war ohne weiteres
einverstanden. Er bot sogar an, mich nach Hause zu fahren, aber ich lehnte
vehement ab und sagte, ich wolle durch die frische Luft laufen.
     
    Das Taxi hielt vor der italienischen Wein- und
Delikatessenhandlung gegenüber von meiner Wohnung an, und ich

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