Mordsviecher
geht’s ja schiach zu«, sagte er, und Irmi musste lachen. Er übte bayerische Ausdrücke, aber über »Obacht!«, »schiach« und »Obatzda« war er noch nicht hinausgelangt, und auch das klang alles ein wenig zu preußen-bayerisch.
»Furchtbar, ich hasse das. Der Strom ist auch weg.«
»Das ist doch romantisch«, sagte er.
Natürlich hätte sie nun etwas antworten müssen von wegen Kerzenschein und Sehnsucht, aber irgendwie fanden die Gefühle in ihrem Inneren keinen Weg in ihre Sprache. Sie schwieg.
»Ich muss in zwei Wochen in die Schweiz«, sagte er plötzlich. »Kannst du dir nicht ein paar Tage freinehmen?«
Wieder ein Blitzschlag, diesmal in ihrem Inneren. Er kam, er würde ganz in der Nähe sein! Sie müsste sich freuen. Freudig erregt sein. Doch was fiel ihr als Erstes ein? Sie fragte sich, ob der Fall dann schon abgeschlossen sein würde und wer sich um die Kater kümmern sollte. Bernhard vergaß doch immer, die Katzen zu füttern.
Es war nicht so einfach, aus der täglichen Realität heraus, aus der gewitterigen Dunkelheit nun auf einmal in Urlaubs- oder sogar Liebeslaune zu kommen. Sie hatte so oft Sehnsucht nach ihm, aber jetzt fühlte sie gar nichts.
»Meldest du dich, wenn du aus Kanada zurück bist?«, fragte Irmi. Das kam ihr irgendwie angebracht vor. Und neutral. Auf ihren Fall zu verweisen, hätte er ja womöglich als Ablehnung interpretiert.
»Sicher, und denk an mich in der stromlosen Nacht.« Er schickte ein Küsschen und legte auf.
Irmi atmete tief durch und trat ans Fenster. Noch immer blieb die Euphorie aus, und noch immer zuckten die Blitze, nun schon weiter weg überm Estergebirge. Sie tapste ins Bad und zog im Dunkeln ihr Schlaf- T -Shirt an.
Morgen war auch noch ein Tag.
Wieder einer, der sich um eine Mamba ranken würde.
7
Es war allmählich so eine Und-täglich-grüßt-das-Murmeltier-Situation. Wieder standen sie in Krün, diesmal war der Schlangenmann mit einem Kollegen da, und Irmi fröstelte wieder. Es war in der Nacht unglaublich kalt geworden, ihr Thermometer hatte morgens acht Grad angezeigt. Ein herrlicher bayerischer Alpensommer!
Der Himmel hatte in der Nacht aufgeklart, aber mit der Klarheit war die Kälte gekommen. War das nicht wie im richtigen Leben? Man ruderte ziellos durch gefährlich aussehende dunkle Gewässer. Man schlingerte führungslos durch seine Emotionen. Doch irgendwann kam Klarheit. Man konnte auf das eigene Leben schauen und das einiger Mitmenschen. Und dann strömte auf einmal diese Kälte ein – bei den wenigsten kam nach der Lebensfahrt die Milde.
Irmi hatte einen »professionellen Einbrecher« aus Hasis Team dabei, Lorenz Wagner, und den Gschwandtner Sepp, der sich zwar mit Händen und Füßen gewehrt hatte, der ihr aber besser geeignet schien, Räume aufzubrechen, als Sailer. Außerdem kannte er weniger Leute als Sailer und war somit kein Zeitungsersatz. Er stammte ursprünglich aus dem Niederbayerischen und hatte hier nur spärliche Kontakte, abgesehen von seiner Frau Guadalupe, die Mexikanerin und auch noch bildhübsch war. Mit ihr hatte er zwei Kinder namens Xolotl und Katharina.
Irmi erinnerte sich, dass sie nach der Anzeige des Erstgeborenen »Xolotl Josef Barnabas Zimmermann« ins Internet gegangen war und »Xolotl« staunend auf Platz fünfzehn der beliebtesten mexikanischen männlichen Babyvornamen gefunden hatte. Auf Platz vierzehn hatte da allen Ernstes »Walter-Kurt« gestanden. So betrachtet, hatte Katharina noch Glück gehabt.
Sie gingen durch die Räume, in denen die Reptilien so unwürdig hatten leben und sterben müssen. Stiegen in den Keller hinunter, liefen durch Gänge und erreichten tatsächlich den Ausstieg, der in den Holzstadl führte. Es war überraschend warm hier unten. Gutes Mambaklima?
»Ich nehme mal an, dass Stowasser auf diesem Weg die Anlage betreten hat«, sagte Irmi. »Unklar bleibt, warum er das Tor hat offen stehen lassen. Das hat er ja anscheinend sonst nie getan.«
Sepp nickte eifrig, was bei ihm immer auf Unsicherheit und/oder Unverständnis hindeutete, während die beiden Reptilienspezialisten mit Taschenlampen die Decken ableuchteten. Langsam gingen sie alle zu jenen drei Türen zurück, von denen zwei rechts des Ganges abzweigten und eine links. Der Fachmann hatte die beiden rechten Türen schnell öffnen können. Dahinter lagen überraschend große Räume, in denen Europaletten gestapelt waren und auf deren Böden Daunenfedern lagen. Der Luftzug von der Tür versetzte sie in taumelnde
Weitere Kostenlose Bücher