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Mordsviecher

Mordsviecher

Titel: Mordsviecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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beseitigt hatte, zappte sie lustlos im Fernsehen herum. Es gab schon wieder eine Castingshow, bei der sich junge Leute zu Affen machten, die zum einen wohl keinen Spiegel daheim hatten und zum zweiten einen Hörschaden, denn singen konnten die alle nicht.
    Irgendwann war sie mal bei DSDS hängen geblieben und hatte wie gebannt zugesehen. Am Ende hatte sie sogar das Voting abgewartet. Damals war dann ein netter Junge, der tatsächlich hatte singen können, rausgeflogen, und sie war gar nicht verwundert gewesen. Es war doch ganz klar, wie die amorphe Masse Fernsehmensch dachte: Der ist eh gut, der kommt weiter, ich stimm für einen, der den Mitleidsbonus hat oder den Der-kann-noch-weniger-als-ich-Zuschlag bekommen hatte. Diese ganze Sendung war eine kollektive Massenmanipulation, perfide in dieser Perfektion. Zwar ging es hier nur um die fehlenden Sangeskünste von Teenagern, aber Irmi war sich sicher, dass diese Art von Manipulation sicher auch bei der Einführung der Todesstrafe für Kinderschänder funktionieren würde. Was für eine verdrehte Welt! Einerseits war so vieles absolut vorhersehbar, so abziehbildhaft, dass sie sich ärgerte, weil man ihre Intelligenz so gering schätzte. Andererseits war das Leben verwirrender geworden, und einer wie Trenkle verwirrte sie noch mehr. War er der Mambamörder?
    Ihr Handy läutete, er war es. Da er Bernhards Abendtermine kannte, rief er häufig dann an, wenn er Irmi allein wähnte. Und wer hätte schon da sein können? Ein Lover? Was für ein schlechter Witz. Irmi hatte es sich immer zur Maxime gemacht, ihre Fälle nicht im Privaten breitzutreten, sie unterlag der Schweigepflicht, das war das eine, aber sie wollte auch nicht während der gesamten freien Zeit in Mord und Totschlag wühlen. Auch sie brauchte ein paar Stunden Abstand.
    Er war gerade in Vancouver und schwärmte ihr vom Restaurant Sandbar auf Granville Island vor.
    »Du hast gefehlt, zu zweit hätten wir viel schöner in den Regen sehen können. Die Perle am Pazifik ist ganz schön nass«, meinte er und lachte.
    »Schwaigen, die Perle des Voralpenlands, auch«, sagte Irmi und erzählte von den dauernden Gewittern. Himmel, nun redete sie mit dem Mann, den sie liebte, also übers Wetter? Es war so schwer, aus dieser Entfernung Nähe aufzubauen, und wie aufs Stichwort setzte der liebe Himmelpapa wieder dazu an, zu kegeln. So hatte ihre Mutter ihr den Donner immer erklärt: »Der Himmelpapa kegelt!«
    »O ja, ich hör es, ganz schön heftig.«
    »Ich hasse es!«, sagte Irmi inbrünstiger als geplant.
    »Ach, komm, Gewitter sind doch höchst faszinierend.«
    »Was ist daran faszinierend? Mich macht das ganz kirre. Wenn mich mal der Blitz erwischt, findest du das sicher nicht mehr faszinierend.«
    »Du wirst ja nicht übers freie Feld laufen oder allein auf einem Berggipfel stehen. Und Benjamin Franklin bist du auch nicht!«
    »Wer?«
    »Im Sommer 1752 hat Benjamin Franklin ein Experiment gewagt. Er ließ einen Drachen in den Gewitterhimmel aufsteigen, um Elektrizität aus der Luft einzufangen. Ein Funke sprang vom Ende der Drachenleine auf seine Hand über. Das war der Beweis, dass eine elektrische Spannung zwischen den Wolken und der Erde besteht. Hätte ein Blitz in den Drachen eingeschlagen, gälte Benjamin Franklin zwar immer noch als der Blitz-Beweiser, wäre aber selber Geschichte gewesen. Hast du das gewusst?«
    Nein, hatte sie nicht. Sie wusste sowieso viel zu wenig. Er wusste viel, sie bewunderte seine Allgemeinbildung. Und wenn er erzählte, tat er das nie, um zu protzen, sondern weil er einfach ein hervorragender Erzähler war. Er hätte Lehrer werden sollen oder Uniprofessor.
    »Nein«, sagte sie und wusste plötzlich nicht, was sie sonst noch hätte sagen sollen, als wieder ein gewaltiger Donner niederfuhr und der Blitz den Nachthimmel taghell beleuchtete. »Puh, das war ganz nah! Wie rechnet man das aus?«
    »Der Schall hat im Gegensatz zum Licht, das etwa dreihunderttausend Kilometer in der Sekunde schnell ist, nur eine Geschwindigkeit von dreihundertzweiunddreißig Metern in der Sekunde. Bei null Grad Celsius, wohlgemerkt. Und drum kann man aus der Zeit zwischen dem Blitz und dem Donner die Entfernung des Blitzes berechnen. Drei Sekunden sind recht genau ein Kilometer.«
    Bevor Irmi noch etwas sagen konnte, kamen Donner und Blitz fast gleichzeitig. Rums, die beiden Kater hechteten von der Eckbank und sausten hinaus. Draußen war es dunkel, allein das Display ihres Handys leuchtete.
    »Bei euch

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