Mordsviecher
eine schwere Operation. So einfach ist das. Ich bin keine Liliana Stowasser, die immer ins watteweiche Bettchen gefallen ist.«
Chemielaborantin! Die kannte sich doch sicher auch mit Gift aus. Irmis Blick schweifte durch das Zimmer. Die Naturholzregale waren voller Tierbücher. Einige Fächer waren leer, und es lagen Kissen darin. Irmi nahm mal an, dass sie den Katzen als Aussichtsplätze dienten. Im obersten Regal standen eine Pappschachtel, die mit den Raffael-Engeln bedruckt war, und ein kleiner Kaktus. Mein kleiner grüner Kaktus … Irgendwie passte der zu Sonja Ruf. Irmi konnte sich nur schwerlich vorstellen, dass jemand dieser Frau opulente rote Rosen vorbeibrachte. Oder Sonnenblumen – die noch weniger.
Die stummelschwänzige Katze war hereingekommen. Sie strich um Irmis Beine und sprang auf ihren Schoß. Dann begann sie zu schnurren, was eher dem Gurren einer Taube glich. Normalerweise hätte Irmi damit gerechnet, dass Sonja Ruf nun etwas sagen würde wie: Das macht sie sonst nie. Da dürfen Sie sich was drauf einbilden. Katzenbesitzer sagten immer solche Sachen. Aber Sonja Ruf schwieg und nippte an ihrem Tee.
»Frau Ruf, Sie sind eine kluge Frau. Sie haben Stowasser lange Zeit ver…«
»Wollten Sie verfolgt sagen?«
»Eher … verdammt. Ich habe manchmal akute Wortfindungsstörungen.«
Es war das zweite Mal, dass über Sonja Rufs Gesicht ein Lächeln huschte. Warum kam Irmi nur auf die Idee, dass dieser Frau niemand rote Rosen schenkte? Ihr schenkte doch auch keiner Rosen, egal welcher Farbe. Nun ja, ganz stimmte das nicht. Sie hatte von ihm immer mal wieder Rosen bekommen, gelbe und orange, weil er immer gesagt hatte, dass Irmi keine »Rote« sei.
Manchmal liebte sie ihn wie verrückt. So sehr, dass es wehtat. Und wünschte sich, einfach nach Hause kommen zu können, wo er auf sie wartete. Mit oder ohne Rosen. Wo sie einfach nur auf dem Hausbankerl sitzen würden und in die Nebelschwaden sehen, die aus dem Moor aufstiegen. Rehe beobachten und schweigen. Aber das war doch Pilcher-Romantik, oder nicht? Die Realität ihrer liierten Freundinnen sah anders aus. Lissis Alfred würde nie nutzlos herumsitzen oder gar Rehe betrachten. Sie alle hatten ihren Alltag, und der war höchst selten romantisch. Und wenn Irmi dann wirklich in letzter Konsequenz durchdachte, ob sie wirklich mit ihm hätte zusammenleben wollen, war sie sich nie sicher, was sie ankreuzen würde: Ja, nein, weiß nicht?
Irmi schüttelte diese Gedanken ab. »Sie kennen Stowasser. Wer war denn Ihrer Meinung nach derjenige, der ihn am meisten gehasst hat? Seine Kollegen? Unternehmer, die auch gern den Preis gehabt hätten? Sie haben das alles doch sicher mitverfolgt?«
Sonja Ruf schüttelte den Kopf. »Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Irgendwie stecken diese Groß- und Kleinkapitalisten doch alle unter einer Decke. Sie sollten nicht nach demjenigen fragen, sondern nach derjenigen.«
Irmi fühlte Adrenalin einströmen. Würde nun doch der Name Isabella Rosenthal fallen?
»Diese Journalistin hat ihn gehasst!«
»Tina Bruckmann?«
»Ja, genau die.«
»Warum denn?«
»Sie wollte ihm das Handwerk legen. Nicht weil sie darauf hofft, dass ihr dann der Spiegel ein Angebot macht. Nein, es ging ihr wirklich um Ehrlichkeit und Aufklärung. Und Kilian Stowasser hat sie überall unmöglich gemacht. Sie darf ja nur noch Umfragen machen und harmlose Geschichten. Keine Wirtschaft, keine Politik. Sie war auch mal mit Max vor Ort in Krün. Sie hatte viele Fotos. Auf ein paar konnte man den Fahrer gut erkennen. Wenn jemand weiß, wann diese Lkw kommen, dann sie.«
War das eines der eckigen Puzzlestücke, die sie so dringend suchte? Aber wie hätte Tina Bruckmann an Mambagift gelangen sollen? Über Max Trenkle?
»Kannten sich Max Trenkle und Tina Bruckmann denn gut?«, fragte Irmi vorsichtig.
»Wir hatten alle ein gemeinsames Anliegen.« Da war wieder diese Roboterstimme.
Irmi versuchte, Sonja Ruf weiter aus der Reserve zu locken. »Man hört, Max Trenkle würde gerne flirten, und Tina Bruckmann ist sehr attraktiv.«
»Wenn Sie das finden!«
Sie war nicht so cool, wie sie tat. »Frau Ruf, wenn Sie irgendetwas wissen, dann sagen Sie mir das jetzt bitte!«
»Da gibt es nichts zu erzählen!«
Die Katze hatte die Augen geöffnet und hüpfte elegant von Irmis Schoß, wo sie jede Menge Haare hinterließ.
»Ich hab kürzlich mal den Satz gelesen: Eine Wohnung ohne Katzenhaare ist wie eine Küche ohne Herd.«
»Nett«, sagte Sonja Ruf.
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