Mordsviecher
wird. Auf Ungewohntes reagieren diese Tiere schon mal mit Abwehrbissen. Vorstellbar wäre auch, dass das Tier Futtergeruch wittert, also Duftstoffe mit der Zunge aufnimmt, dann würde es auch zustoßen.«
»Gut, aber das weiß der Profi doch, oder?«
Er schien zu überlegen. »Schon, Frau Mangold, aber es könnte ja mal sein, dass einer eine Jacke oder eine Schürze oder Latzhose oder was weiß ich zum Beispiel neben den toten Küken aufgehängt hatte. Oder jemand hat diese Schürze achtlos auf die Futtertiere geworfen, dann würde das Kleidungsstück den Geruch doch annehmen. Und dann zieht es jemand unwissentlich an, die Schlange nimmt Futtergeruch wahr und stößt zu.«
Er schwieg, Irmi auch. Das war eine ungeheuerliche Idee. Einen Biss zu provozieren. Ginge das? Das wäre ja der perfekte Mord! Und wer würde so was bewerkstelligen können? Max Trenkle? Aber wie hätte der so nahe an Stowasser herankommen sollen? Wie hätte der auf das Anwesen gelangen können? Es gab viel zu viele Ungereimtheiten.
»Ich würde gern noch einmal nach Käthe suchen«, sagte der Schlangenmann nach einer Weile, während der sie beide geschwiegen und sich nicht getraut hatten, den ungeheuerlichen Gedanken zu formulieren.
»Das wäre sicherlich sinnvoll. Darf ich später noch mal anrufen?«, fragte Irmi.
»Sicher.«
Irmis Hand hielt weiterhin das Telefon umklammert. Es war, als könne sie nicht auflegen. Der Schlangenmann räusperte sich und sagte dann sehr leise: »Angenommen, jemand hat wirklich Kleidung präpariert und damit einen Biss provoziert …«
»Aber das ist doch mehr als unwahrscheinlich, oder?« Irmis Stimme klang flehentlich.
»Aber eben nicht ganz auszuschließen.« Nun flüsterte er fast.
Irmi verabschiedete sich und legte schließlich auf. Ihr Herz klopfte wie rasend. Als wolle es sich selbst überholen.
Auch wenn die Idee auf den ersten Blick abstrus war, rief sie trotzdem den Hasen an und bat ihn, die Kleidung von Stowasser auf Spuren von tierischem Blut zu untersuchen. Von Küken oder Mäusen. Irmi konnte sich den Gesichtsausdruck des Kollegen vorstellen, als er ihre Bitte kommentierte mit einem: »Was Ihnen immer einfällt!« Dass Irmi dann auch noch »und bitte schneller als der Schall« hinterherschickte, empfand er als Beleidigung höchsten Grades, und Irmi überlegte jetzt schon, wie sie den Hasen später wieder milde stimmen konnte.
Irmi sah auf die Uhr. Es war kurz vor zwei, als sie im Büro war. Sie stellte die Sonnenblume auf den Tisch von Andrea, die Irmi überrascht und erfreut ansah.
Andrea konnte mit der Nachricht aufwarten, von der Irmi insgeheim gehofft hatte, dass sie sie nicht erhalten würde: Strobl hatte das Hotel so spät verlassen, dass er niemals nach Krün hätte fahren können. Das wussten die Mitarbeiter des Hotels so genau, weil der gute Sockenstrobl den Mädchen an der Rezeption noch Socken aus seinem Sortiment verpasst hatte. Er hatte sie ihnen eigenhändig angepasst, wahrscheinlich, um ihnen unter die Dirndlröcke zu spechten. Am Golfplatz hatte er noch mit dem Greenkeeper geplaudert, der konnte sich auch noch gut erinnern, wann das gewesen war, weil er auf die Uhr gesehen hatte. Der Herr der Greens hatte ebenfalls Socken bekommen – war schon ein echter Gönner, der Strobl. Dabei war es im Falle des Greenkeepers wohl kaum um die tieferen Einsichten und die schlanken Fesseln gegangen…
Irmi seufzte. Strobl wäre so ein schöner Mörder gewesen. Er hätte das Wissen gehabt und Zugang zu Stowassers Bernsteinzimmer. Und er hatte eine DNA -Probe abgegeben, die mit den Spuren in Krün übereinstimmte. Klar, er hatte ja auch nie geleugnet, dort gewesen zu sein! Verdammt und zugenäht!
Irmi verzog sich in ihr Büro, um nachzudenken. Das Ergebnis war so einfach wie kompliziert: Es musste Bewegung in die Sache kommen, sie musste ein paar Leute aus der Reserve locken. Sie musste einfach ein bisschen unkonventionell werden.
Das Wort unkonventionell hatte einen so positiven Klang. Unkonventionelle Menschen waren frei und unbeugsam, hatten Neider. Unkonventionelles Denken hatte die Welt bewegt. Sie war Beamtin, eigentlich war so etwas für sie nicht vorgesehen, und was da allmählich in ihrem Kopf reifte, hätte sie bei jedem anderen als unbedacht verurteilt.
Als sie zum Telefon griff und Tina Bruckmann anrief, war es schon zu spät. Die Räuberpistole ging ihr leicht von den Lippen. Es war auch alles ganz einfach. Sie dankte Tina Bruckmann für den sachlichen Artikel und sagte
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