Mordsviecher
einmal viel hübscher.
»Ja, Max Trenkle, unser Vorsitzender.«
Unser Vorsitzender! So wie sie das sagte, klang das wie: O Captain, my Captain. Wie: Mein Gott und Vater. Irmi runzelte die Stirn und feuerte urplötzlich: »Waren Sie bei einem Anschlag gegen Stowasser dabei?«
»Anschlag, ich bitte Sie! Und ja, das war blöd und unüberlegt. Das hat uns Max auch klargemacht. Dass wir damit nur das Gegenteil erreichen und uns alle Sympathien verscherzen. Und wenn wir schon kein Geld haben, müssen wir wenigstens in der Bevölkerung Rückhalt bekommen. Da ist es einmal mit mir durchgegangen.«
Das klang irgendwie auswendig gelernt. Durchgegangen? Einmal? Und wenn es noch mal mit Frau Ruf durchgegangen war? Oder gar zweimal – beim Treppensturz und später in Krün?
Sie war aufgestanden. »Ich hatte mir eben Tee gemacht. Ich hole ihn. Sie können solange das hier lesen. Ich arbeite mit Worten, nicht mit Gewalt.«
Sie schob Irmi ein paar Blätter hin. Die nahm sich eines davon und begann zu lesen:
Heureka wurde von ihrer Finderin so getauft, weil sie das Glück gehabt hatte, gerade noch rechtzeitig gefunden worden zu sein. Ihr Bruder Paul wurde von einer zweiten Finderin Paul getauft, weil ein Kater einfach Paul heißen muss. Heureka und Paul kamen im Juli zur Welt. Ihre Mutter war scheu, abgemagert und ständig auf der Flucht vor den Menschen, in deren Scheune sie für die Geburt Zuflucht gesucht hatte. Und sie war verwurmt und übersät von Flöhen. Sechs Wochen lang verbarg ihre Mutter sie, und als sie dann zum ersten Mal ins Freie tapsten, kamen die jungen Tiere in einer lieblosen Umgebung an. Ständig mussten sie vor fliegenden Schuhen, vor Holzscheiten, vor Schreien flüchten. Ihre Mutter hatte keine Milch mehr und war sehr schwach. Zwei Wochen später starb sie. Heureka und Paul erwischten ab und zu von Fliegen übersäte Milch und das stinkende Futter der Nachbarskatze, die so etwas selber nie mehr gefressen hätte.
Paul und Heureka hätten gerne mit den Schmetterlingen oder den lustigen Blättern in der Luft gespielt. Aber sie konnten nur dahocken, weil das Atmen so schwerfiel. Auch das Wegrennen, und so nahmen die Finderinnen, ohne voneinander zu wissen, die beiden mit. So trennten sich die Wege von Paul und Heureka. Die Kätzin kam sofort zur Tierärztin, die sie in Quarantäne gab. Das war kein klassischer Katzenschnupfen, das war eine undefinierbare seltsame Krankheit. Paul kam ins Tierheim. Nach zehn Tagen holte die Finderin Heureka aus der Quarantäne ab. Die Kleine schnurrte zu laut, ein unangemessenes Schnurren, Todesschnurren, wie die Tierärztin das nannte. Sie erlebte einen halben Tag in Sicherheit und Hoffnung, dann wurde ihre Atmung so schlecht, dass sie eingeschläfert werden musste. Paul hatte das Tierheim erst gar nicht mehr verlassen. Auch er wurde eingeschläfert.
Nun treffen sich die Wege der beiden wieder. Heureka und Paul hatten nur kurz einen Namen und haben nur kurz gelebt: eine kurze Zeit in Angst, Panik und Krankheit.
Die eine Finderin besuchte den Hof und bot ihre Hilfe beim Einfangen wilder Katzen an. Verwies auf die Möglichkeit, dass der Tierschutz die Kosten übernähme. Sie erhielt als Antwort: »Die verrecken immer so schnell, da ist es besser, wenn neue nachkommen. Da wird nichts kastriert.« Ihre Argumente, dass die Tiere nur »verreckten«, weil sie krank waren, verhallten ungehört.
Währenddessen huschten wieder ein paar Katzen vorbei, neue Pauls und Heurekas an einem ganz normalen Herbsttag auf einem oberbayerischen Bauernhof …
Irmi schluckte. Sie wusste, dass die Geschichte von Heureka und Paul leider der Wahrheit entsprach. Sie stand beispielhaft für das Elend Tausender Namenloser. Sie wusste auch, dass sich die Berufskollegen ihres Bruders da nicht gerade mit Ruhm bekleckerten. Sie hatte sich auch ganz schön vor ihm aufbauen müssen, um eine Kastration von Kater und dem kleinen Wildfang durchzusetzen. Auch sie hasste diese Machosprüche, dass man dem Kater seinen Spaß lassen müsse. Männer reagierten beim Thema Kastration immer so panisch und irrational.
Andererseits hasste sie diese Generalverdammung aller Bauern. Es gab genug, die sich aufopferungsvoll um alle Tiere am Hof kümmerten. Sie ja auch. Irmi las weiter.
An dem wilden Leben in Freiheit ist gar nichts romantisch! Diese Tiere leben in ständigem Hunger und bedroht von Krankheiten. Durch die Raufereien ziehen sich wilde Kater schwere Verletzungen zu. Und natürlich müsste man jemanden
Weitere Kostenlose Bücher