Mordsviecher
sie immer gegen zehn Uhr da. Sie hatten ja von mittags gesprochen, ich dachte, dass ich Ihnen in jedem Fall zuvorkomme.«
Verdammt. Deshalb war der Fahrer aufgetaucht, und deshalb war Irmis fahrlässige Falle so ausgeufert. Ein Zufall, der den Mann das Leben hätte kosten können.
»Frau Ruf, das würden Sie so unterschreiben, und Sie bestehen darauf, dass Sie Ihren Rachefeldzug gegen Stowasser allein geplant und durchgeführt haben?«
»Sicher, ich ziehe doch niemanden in so etwas rein. Wen denn auch? So viele Freunde habe ich nicht. Wen würden Sie zur Erpressung einladen, Frau Mangold? Welcher Ihrer Freunde würde da mitmachen? Merken Sie eigentlich, wie dumm diese Frage ist?«
Auf einmal spürte Irmi eine tiefe Traurigkeit. Dabei war sie doch eigentlich eher der gut gelaunte Typ. Sie liebte ihren Job. Nicht wie der südschwedische Literaturkommissar, der immer so depressiv war, dass Irmi ihm längst zu einem anderen Beruf geraten hätte. Nein, sie mochte ihren Beruf, auch wenn er viel Elend mit sich brachte. Aber er gemahnte einen doch auch daran, wie privilegiert man selbst war, wenn man sah, was andere um- und antrieb. Aber heute …
»Frau Ruf, Sie sollten sich einen Anwalt besorgen. Können wir etwas für Sie tun?«
»Meine Nachbarin heißt Elvira Mair. Ich habe ihr auf den Anrufbeantworter gesprochen. Rufen Sie sie bitte noch mal an, um sicherzustellen, dass sie meine Katzen füttert?«
»Sicher, soll ich sonst noch jemanden anrufen? Max Trenkle vielleicht?«
»Max, nein, der ist nach Australien geflogen.« War da ein Lächeln in ihrem Gesicht?
»Aber Sie hatten mir doch gesagt, Sie wüssten nicht, wo Herr Trenkle sei.«
»Da wusste ich es ja auch noch nicht. Inzwischen hat er angerufen, dass er in Cairns sei.«
Warum glaubte Irmi ihr das nicht? Sie straffte die Schultern. »Frau Ruf, Sie werden wirklich einen Anwalt brauchen. Aber jetzt werden Sie erst mal gesund.«
Sonja Ruf schwieg, und als Irmi und Kathi hinausgingen, erwiderte sie den Gruß nicht.
»Wow!«, sagte Kathi draußen. »Was für ein Ding. Wie wird die Anklage lauten? Unterlassene Hilfeleistung bei Stowasser. Versuchter Totschlag bei dem Tschechen. Was wird der Anwalt da für eine Verteidigungsstrategie wählen?«
Irmi antwortete nicht.
»Das wird hochkochen in den Medien, das sag ich dir. Diese Tierschützer gehen doch überall auf der Welt zu weit in ihrem Engagement. Grad bei so viecherdamischen, hysterischen Weibern setzt der Verstand aus.«
Irmi hatte da wenig entgegenzuhalten. Sie war auf einmal so mundfaul.
»Trotzdem finde ich es bizarr, wegen einem Gaul so was zu inszenieren. Oder von mir aus zweien, wenn man das arme Fohlen mitrechnet.«
Irmi konterte: »Du selbst hast gesagt, die schlimmsten Verbrechen entstehen aus großen Gefühlen.«
»Aber hier ging es um ein Pferd! Ein Pferd, meine Liebe! Nur ein Pferd!«
»Kathi, du weißt doch, dass die meisten Frauen ihre Pferde weit mehr lieben als ihre Männer! Und sie hatte nicht mal einen.«
16
Irmi und Kathi schickten eine SMS an ihren Chef und an die Staatsanwaltschaft. Schöne neue SMS -Welt, man musste nicht einmal reden und bekam doch gleich eine Antwort, nämlich dass sie am Montag eine Pressekonferenz geben würden. Die würde sicher hohe Wellen schlagen, die ganze Geschichte war ja auch mehr als bizarr.
Dann fuhr Irmi erst einmal heim.
»Na, Mörder gefangen?«, fragte Bernhard.
»Sieht nicht so aus. War wohl doch ein Unfall.«
»Na dann, Schwester, sieht man dich ja wieder öfter. Gehen wir mal zusammen ins Holz?« fragte er.
Irmi wusste, dass das ein großer Liebesbeweis war, und lächelte ihn an. »Gerne.«
Sie sprach Elvira Mair auf den Anrufbeantworter und hoffte, dass diese nicht auch in Australien war. Zum zweiten Mal schlief sie elf Stunden und erwachte um fünf. Sie hatte wirr geträumt, und zwei Sätze standen immer noch im Raum, in dem sich die Träume ansonsten verflüchtigt hatten. »Die meisten Verbrechen entstehen aus Liebe« und: »Ich bin doch gar keine Mörderin!« War sie doch auch nicht, oder? Ein Unfall mit Käthe eben.
Und trotzdem, warum war Irmi immer noch nicht zufrieden? Sie ging hinaus, wo ein neuer Tag begann, und startete ihr Auto. Hoffte, dass Bernhard sie nicht hören würde.
Es war still, sonntagsstill. Auf dem Weg nach Garmisch überholte sie ein Auto mit zwei Mountainbikes auf dem Dach. Die schienen es eilig zu haben, mit den dicken Stollenreifen die Berge zu bezwingen. Sie parkte ihr Auto am Rathausplatz, wo es ein
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