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Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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auch in Humboldts ›Ansichten der Natur‹ gefunden. Er bat Treptow, doch gelegentlich darauf zu achten, ob es für solch eine Sintflut nicht auch Anzeichen in der Namib gäbe.
    Treptow stand, nachdem er den Brief zweimal gelesen hatte, auf. Er lief im Zimmer hin und her. Schließlich ging er zum Spiegel. Er erschrak über das Gesicht, das ihn anstarrte. Diese geröteten Augenlider, der stoppelige Bart, die Haare hingen strähnig. Es war ihm peinlich, daß die anderen ihn so hatten herumlaufen sehen. Verkommen. Dreckig. Um dem nachträglich etwas Absichtsvolles zu geben, entschloß er sich, den Bart stehenzulassen. Es würde ein dunkelblonder, leicht rötlicher Vollbart werden. Er wollte sich waschen, fand im Krug aber kein Wasser. An der Waschschüssel war ein eingetrockneter Seifenschaumrand, an dem Haare klebten. Ein unerträglicher Schlendrian, sagte Treptow laut vor sich hin und rief nach seinem Bambusen. Nachdem er sich gewaschen und umgezogen hatte, sammelte er die Konstruktionszeichnungen ein. Inzwischen war es also schon möglich, ein Zweirad mit einem kleinen Benzinmotor anzutreiben. Einen Moment hatte er die Befürchtung, daß sein Modell, diese lenkbare Lokomotive, schon von der technischen Entwicklung überholt worden sei und, würde es endlich gebaut, ein Fossil auf Rädern wäre, ein schwerfällig dampfender Dinosaurier inmitten kleiner knatternder Zweiradflitzer.
    Aber dann sagte er sich, daß dieses hölzerne Niederrad (was war das überhaupt?) nichts weiter fortbewegte als sich und diesen Herrn Daimler. Sein Tropenauto aber sollte Lasten über Tausende von Kilometern transportieren.
    Am nächsten Morgen traf der verdutzte Bansemer, als er zwei Stunden zu spät kam, einen frisch gewaschenen und tobenden Treptow, der die Träger der Meßlatten anbrüllte: Die Ferien hätten jetzt ein Ende, jetzt ginge es wieder rund. Bansemer fiel auf, daß Treptow sich besonders straff hielt, die Schultern angespannt zurückgezogen, als hätte man ihm ein eisernes Kreuz in den Rücken montiert.
    Abends, nach getaner Arbeit, ging Treptow zur Missionarin und erbat sich etwas Benzin. Er benötige es für ein Experiment, versicherte er, als er ihr Zögern bemerkte. Vor zwei Monaten hatte nämlich ein schwedischer Händler versucht, seinen höllischen Brand mit Benzin zu löschen. Er war dabei innerlich regelrecht ausgetrocknet. Missionar Bam sprach über dem offenen Grab des Schweden die schönen Verse aus dem Matthäus-Evangelium: Das Auge ist des Leibes Licht. Wenn dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein. Da in der Missionsapotheke nur ein kleines Fläschchen mit Benzin aufzutreiben war, entschloß sich Treptow, dieses mit etwas Schmieröl, von dem reichlich auf der Station vorhanden war, zu strecken. Er füllte Benzin und Schmieröl in eine Flasche, wickelte Mull um einen Korken und verkorkte sie. Aus diesem Mull sollte etwas von der Brennflüssigkeit heraussickern, und zwar auf eine gußeiserne Bratpfanne, die sich Treptow aus der Missionsküche geliehen hatte. Diese Experimentanordnung war die Grundlage für einen Brenner, der unter dem Kessel des Tropenautomobils angebracht werden sollte. Es wäre dann nicht nur mit Holz, sondern auch mit Petroleum und diesem Benzinölgemisch heizbar.
    Als Treptow die heraus gesickerte Flüssigkeit in der Pfanne mit einem Streichholz anzündete, sprang das Feuer mit einem Puff sogleich auf die Flasche über, die Treptow gerade noch aus dem Fenster schleudern konnte, ehe sie explodierte. Treptow stand und starrte in die Nacht, wo sich ein Höllenschlund aufgetan hatte. Die schwatzende Tabaksrunde lag am Boden, Kleider und Haare versengt. Man bekreuzigte sich. Knackend fraßen sich die Flammen in das trockene Holz der Veranda. Bansemer brüllte Befehle. Alles lief durcheinander. Schließlich gelang es, den Brand mit Sand zu löschen. Bansemer kam mit versengtem Bart und Augenbrauen und gratulierte Treptow zu der Entdeckung dieser Wunderwaffe. Da erst dämmerte es Treptow, daß er ein zweiter Berthold Schwarz geworden war.
    Er erklärte Bansemer das Herstellungsverfahren, das denkbar einfach war bei einem maximalen Effekt: Man fülle drei Viertel einer Flasche mit Benzin, das letzte Viertel mit extra schwerem Schmieröl. Der Flaschenhals wird mit Mull oder Watte verkorkt. Der Wattebausch wird angezündet, dann werfe man die Flasche in die gewünschte Richtung.
    Treptow und Bansemer waren sich sofort darüber einig, daß man diese Erfindung absolut geheimhalten

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