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Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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gestohlen worden seien, obwohl die Leute hier sich gar nichts aus Gemüse machten. Treptow war geschmeichelt.
    Aber dann hörte er, daß verschmähte Liebhaber die Karotten fein geraspelt als einen negativen Liebestrank ihrem Nebenbuhler unter das Essen mischten. Die Wurzel sollte ihn der Angebeteten in einer wilden Hektik und ständigen Verschwitztheit zeigen.
    Treptow hatte daraufhin nur ja, ja gesagt und dann ohne jeden Zusammenhang: diese Hottentottenwirtschaft.
    Gern hätte Treptow jetzt mit seinem väterlichen Freund Professor Bernhard geredet, dem er in den vergangenen Monaten so viele Briefe geschrieben hatte. Der Gedanke, ihm jetzt zu schreiben, erschien ihm lächerlich, wenn er daran dachte, daß der Brief wochenlang von einem Boten an einem Stecken durchs Land getragen wurde, bis er nach Walvisbaai kam, dort herumlag und auf den Dampfer wartete, auf dem er dann langsam nach Norden schaukelte. So lief er weiter herum, vergrübelt und sich beständig kratzend.
    Hartmann war die plötzliche Veränderung Treptows nicht entgangen, und er sprach ihn eines Tages in seiner ruhigen, bedächtigen Art an. Treptow aber wich den vorsichtigen Fragen schroff aus, sagte, er könne nicht schlafen, das läge am Wetter, dieser verfluchten Hitze, und man solle ihn gefälligst in Ruhe lassen.
    An einem Freitag im Februar 1888 kaufte sich Treptow eine Flasche Whisky in dem einzigen Store am Ort. Übernächtigt hatte er morgens im Korbstuhl auf der Veranda gesessen, Bansemer und die Hilfskräfte wieder nach Hause geschickt mit den Worten: es sei heute zu heiß zur Arbeit. Er sagte sich, daß sein Vorsatz, in den Tropen nicht zu trinken, lächerlich sei. Ein Glas zum Einschlafen, denn man müsse ja nicht gleich saufen wie dieser verkrachte Leutnant. Treptow hatte die Flasche noch nicht geöffnet, da brachte Missionar Bam einen Brief aus Deutschland, der gerade die Mission erreicht hatte. Der Bote stehe noch keuchend vor dem Haus.
    Treptow konnte später selbst nicht sagen, was in diesem Brief ihn aufrüttelte, was ihn, wie er das nannte, wieder auf Trab gebracht hat. Ein eher nüchterner, sachlicher Brief war das, den Professor Bernhard aus Braunschweig geschrieben hatte. Darin legte er zunächst ausführlich die Gründe dar, warum er aus Berlin, von der renommierten Technischen Hochschule weg und in die Provinz gegangen sei, so als müsse er sich vor Treptow rechtfertigen. Er schrieb, der Ruf sei, wie nun einmal üblich, mit einer besseren Dotation verbunden, aber das sei nicht der Grund für seinen Wechsel gewesen, sondern daß in Braunschweig ein Institut für Vermessungstechnik gegründet werden solle, dessen Leitung man ihm angeboten habe. Er habe nach reiflicher Überlegung zugesagt. Bernhard entwickelte dann einige Gedanken, die, wie er schrieb, das Vermessungswesen revolutionieren würden, indem man nämlich das zu vermessende Gebiet einfach mit einem Ballon oder einem anderen Flugapparat überfliegen und fotografieren würde. Voraussetzung dafür sei allerdings, daß der betreffende Flugapparat auf einer gleichbleibenden Höhe flöge, was mit einem Freiballon nur schwer, genaugenommen gar nicht möglich sei. Bei schwer zugänglichen Gebieten könne man aber schon heute beispielsweise einen Fesselballon einsetzen. Er erhoffe sich gerade von Erfindungen im Bereich der Flugapparate große Einwirkungen auf die Vermessungstechnik. Man müsse dann allerdings auch ein besonders feines fototechnisches Verfahren entwickeln, das die verschiedenen Grautöne einer solchen Landschaftsaufnahme genau abstufen und trennen müsse, die in ihrer Wichtigkeit jeweils unterschiedliche Höhen anzeigen würden. Solche wären dann nachzuzeichnen, und man hätte, wie in Scheiben, das Profil der Landschaft. Dann berichtete Bernhard kurz von einem gelungenen Versuch eines gewissen Daimler in Augsburg, der, was Treptow doch interessieren würde, einen benzingetriebenen Einzylindermotor in ein hölzernes Niederrad eingebaut und sich und den Apparat damit fortbewegt habe. Bernhard ließ Treptow grüßen, auch von seiner Frau, und wünschte ihm alles Gute. In einem PS fügte er dann noch eine These hinzu, fachfremd sozusagen, aber interessiert, daß die Wüstenbildung in der Sahara möglicherweise auf eine vorgeschichtliche Naturkatastrophe zurückzuführen sei, ein enormer Wirbelsturm oder, wahrscheinlicher, eine gewaltige Überschwemmung habe die Pflanzendecke und dann die Dammerde weggewaschen. Eine ähnliche These habe er übrigens ganz unabhängig

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