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Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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geschleppt hatte.
    Das Tier, das sich auf die Vorderbeine kniete, richtete sich sogleich auf, als Gottschalk im Sattel saß. Zu dritt ritten sie, Gottschalk, Dermigny und Zeisse, um Keetmannshoop herum, vom Gelächter der Hottentotten und Soldaten begleitet. Wie Affen hüpften Gottschalk und Zeisse auf den Höckern der Kamele. Im Paßgang entstand eine wilde Bewegung, die die ungeübten Reiter nicht nur auf und nieder, sondern auch noch seitlich zum Rotieren brachte. Die Köpfe der beiden rollten und nickten zugleich, und schon beim zweiten Durchgang fiel das gräuliche Grün in Zeisses Gesicht auf, und als er das dritte Mal vorbeikam, da hing er seitwärts und kotzte einen verwackelten Strahl aus halbverdautem Brot, Kaffee und Vierfruchtmarmelade auf den Sand und auf das stampfende Wüstenschiff.
    Zeisse gab auf, begleitet von den Buhrufen der Neugierigen, während Gottschalk sein Kamel in Trab brachte, wobei er kräftig mit der Peitsche zulangen mußte. Durch die jetzt einsetzende Wechselbewegung wurde das Hinundherschaukeln aufgehoben, und als Gottschalk sich, Dermigny nachahmend, im Sattel zurücklehnte und mit den Füßen in den Steigbügeln leicht abstemmte, waren auch die Stöße kaum noch spürbar. In einer erstaunlichen Geschwindigkeit trabten die Tiere um den Ort, vorbei an den gaffenden Hottentotten und Soldaten, die jetzt stumm dastanden.

    Ende Mai begann Gottschalk mit drei abkommandierten Reitern, darunter Zeisse, sein Versuchsprogramm, wie er es selbst etwas hochtrabend nannte. Da die Tiere als Reitkamele nicht sonderlich geeignet waren, er aber die Alternativen nur aus Dermignys Erzählungen kannte, bat er in einer Eingabe an das Kommando der Schutztruppe um den Ankauf einiger Reitkamele aus dem Gestüt Esneh in Oberägypten. Es sollten Rassetiere sein, man könne sich dann überlegen, ob man nicht in Südwest ein eigenes Kamelgestüt aufbaue. Gottschalk sagte sich, das Truppenamt würde dem Kauf der teuren Rennkamele eher zustimmen, wenn man später das Geld durch eine eigene Zucht wieder sparen könne.

    Dieser Plan, ein Kamelgestüt aufzubauen, in dem hochrassige Reitkamele gezüchtet würden, beschäftigte Gottschalk in der nächsten Zeit, wie man Zeichnungen und Notizen in seinem Tagebuch entnehmen kann. Darin findet sich auch das Rezept von einer besonderen Art Cuscus, das er sich offenbar von Dermigny hatte geben lassen.

    Die vier Tiere ließ Gottschalk als Lasttiere einsetzen, und zwar auf der Strecke Keetmannshoop-Gibeon. Schon auf dem ersten Marsch in einer Transportkolonne, die Gottschalk zu Pferd begleitete, überraschte ihn dieses Phänomen: Die Kamele, die scheinbar so langsam latschten, gingen in Wirklichkeit schneller als ein Pferd in derselben Gangart. Und obwohl Gottschalk sein Pferd immer wieder antrieb, konnte es nicht länger als eine halbe Stunde Schritt halten.

    Mohammed soll auf seiner Flucht, der Hidschra von Mekka nach Medina, eine Kamelstute der Bischarin geritten haben, die täglich zweihundert Kilometer lief, erzählte Dermigny.

    Auf dem Marsch nach Gibeon fragte Gottschalk Zeisse einmal, ob er sich freiwillig für eine Kamelreitertruppe melden würde. Zeisse antwortete, Kamele interessierten ihn nicht, ihr Geruch sei ihm zuwider, und außerdem benötigten sie nicht einmal Hufeisen. Er habe ausgerechnet, daß er, wenn er Ende dieses Jahres Gefreiter würde, noch zwei Jahre im Lande bleiben müßte, um das nötige Geld zu sparen. Dann würde er seinen Meister machen und die Schmiede in Bardowick in Erbpacht übernehmen.

    Als Gottschalk drei Wochen später nach Keetmannshoop zurückkam, konnte man ihn sogar durch geschlossene Türen riechen. Die Tiere, die eine Drüse am Hinterkopf haben, sonderten einen widerwärtigen Bocksgestank ab. Hunde folgten Gottschalk schnüffelnd. Er versuchte, diesen Geruch mit Kölnischwasser zu überdecken. Auf das Kölnischwasser reagierten aber wiederum die Kamele wild, bewegten sich nicht vom Fleck, und eines biß den entsetzten Gottschalk einmal sogar in den Arm. Die Wunde mußte mit Jod behandelt und verbunden werden. Es komme häufig vor, erzählte Dermigny, daß Kamelbisse tödlich seien. Einem Kameraden habe in Mauretanien einmal ein Kamelhengst in der Paarungszeit, in der die Tiere besonders ungebärdig werden, mit einem gewaltigen Biß ein Stück aus dem Schädel gerissen, mit Haut, Haaren, Knochen und einem Teil des Gehirns.

    In seinem Korridorzimmer fand Gottschalk bei seiner Rückkehr den Kuhschädel zwar an der gleichen

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