Morenga
Patronengurt. Das Gewehr hatte er neben sich gestellt. Er fragte mich nach dem Ziel des Transports und wann Oberst van Semmern mit seinen Truppen kommen würde. (Randbemerkung: Oberstleutnant) Er zeigte sich als sehr gut über unsere Truppenstärke informiert. Ich verweigerte jede Auskunft. Morris fragte mich nach meinem Rang. Morenga sagte, er habe bisher nur einmal einen Unteroffizier gefangengenommen, aber noch nie einen Offizier. Ich versuchte klarzustellen, daß ich im eigentlichen Sinne kein Offizier sei, sondern nur Veterinär, also Tierarzt. Morenga wollte wissen, warum das nicht als höher eingestuft würde, da man dann doch mehr wissen müsse als irgendein gewöhnlicher Offizier. (Randbemerkung:??) Er und Morris versicherten mir, daß sie allen Reitern, die sich ergäben, das Leben schenken würden. Ich solle das dem Kommando der Schutztruppe ausrichten. (Randbemerkung: Verschlußsache, dito für den Oberveterinär!) Dann bat mich Morenga, ihn zu untersuchen, und zwar habe er vor Monaten einen Steckschuß in die rechte Hüfte bekommen. Das Projektil sei wohl im Knochen gesplittert. Seit Wochen eiterten kleinere Metallsplitter und Knochenteile aus der Wunde, die sich schon einmal geschlossen habe. Ich untersuchte ihn. Es handelte sich um eine fortgeschrittene Wundsepsis. Er muß beim Gehen und Reiten, was ihm auch sichtlich schwerfiel, erhebliche Schmerzen gehabt haben. Die Wunde hätte eigentlich operiert werden müssen. So konnte ich sie nur mit Jod auspinseln und mit einer antiseptischen Salbe behandeln, dann verbinden. (Randbemerkung: Ist das nicht Feindbegünstigung nach § 124 a?) Ich habe Morenga gefragt, warum er keinen Frieden mit uns mache. Er antwortete, das läge nicht an ihm, sondern an den Deutschen. Ich fragte ihn nach seinen Bedingungen für einen Frieden. (Randbemerkung: Ist der toll?) Seine Forderungen seien sehr einfach: In dem Land, das ihnen gehöre, frei zu leben. Auf meine Frage, ob er glaube, gegen das mächtige Deutsche Reich gewinnen zu können, sagte er nur: Nein. Aber er hielt einen Verhandlungsfrieden für möglich, da er den Deutschen über Jahre schwere Verluste zufügen könne. (Randbemerkung:!) Hilfe könne auch von außen kommen, von England oder vielleicht auch von den Deutschen selbst, die gegen Ungerechtigkeit und systematische Tötung seien. (Randbemerkung: Kann der das so gesagt haben?) Morenga betonte aber auch, daß er bis zum letzten Mann weiterkämpfen werde. Und auf meine Frage, warum, gab er die verwunderliche Antwort: Damit ihr und wir Menschen bleiben können. (Randbemerkung: Eingeborenenlogik!) Er befahl, daß man mir eine Karre mit Maultieren geben solle, auf der ich die Verwundeten zur Missionsstation nach Heirachabis schaffen könne. Ich entschloß mich, am nächsten Morgen zu fahren. (Randbemerkung: Warum nicht gleich?) Abends feierten die Aufständischen ihren Sieg mit Tanz und Gesang. (Randbemerkung: Und was machte der Herr Oberveterinär?) Mehrere unserer Zugochsen wurden gebraten. Inzwischen waren auch die Frauen und Kinder der Rebellen gekommen, die Morenga über den Oranje in Sicherheit bringen wollte. Eine alte Frau tanzte zur allgemeinen Belustigung in der Uniform des Oberstleutnants van Semmern, die sich ebenfalls im Transport befunden hatte.
Die Zahl von Morengas Truppe (Randbemerkung: Bande!) schätze ich auf sechzig Mann. Die meisten von ihnen trugen Schutztruppenuniformen und waren mit Gewehren vom Typ 88 bewaffnet. Das Pferdematerial war hervorragend. Wahrscheinlich aus Beständen der 12. Kompanie. Die Stimmung der Leute war sehr gut. Ich hatte nicht den Eindruck, daß irgend jemand unter Zwang kämpfte. Ebenso war die Anerkennung Morengas als Führer eine freiwillige.
Am nächsten Morgen erhielt ich die Karre mit den Maultieren und konnte die vier Verwundeten nach Heirachabis fahren.
Zwei Monate nach dem Überfall auf den Wagentransport, Oberstleutnant van Semmern war inzwischen von Morenga am Hartebeestmund geschlagen worden, wurde Gottschalk in Warmbad von einem Stabsoffizier verhört. War man zunächst nur darüber verwundert, daß Morenga einen Veterinäroffizier so einfach hatte laufenlassen, wurde man nach dem verlustreichen Gefecht mißtrauisch. Auf der Suche nach Sündenböcken stieß van Semmern auch auf Gottschalk. War es nicht vielleicht doch möglich, daß Gottschalk die Angriffspläne der Südabteilung ausgeplaudert oder gar absichtlich verraten hatte? Dieser Verdacht konnte jedoch leicht widerlegt werden, da Gottschalk zum
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