Morenga
damaligen Zeitpunkt den Operationsplan gar nicht kennen konnte. Umgekehrt waren es erst die Aussagen über die weiteren Absichten Morengas gewesen, die, von Gottschalk ganz unbeabsichtigt, den entscheidenden Hinweis für den Plan des deutschen Angriffs abgegeben hatten. Ausschlaggebend für die Entscheidung von Oberstleutnant van Semmern, am Oranje entlangzumarschieren, war die Information, daß Morenga die Frauen und Kinder über den Oranje auf englisches Gebiet übersetzen wolle.
Erst nachdem er seinen Abberufungsbefehl wegen des militärischen Debakels erhalten hatte, kam van Semmern der fürchterliche Gedanke, Morenga könne diese Information mit der Absicht gegeben haben, daß der Veterinär in seiner Humanitätsduselei (dafür sollen Hottentotten ja ein besonders feines Gespür haben) sie arglos weitergeben würde, was schließlich ihn, van Semmern, in den Hinterhalt laufen ließ. Van Semmern befahl eine weitere Untersuchung des Falls. Auch die bei dem Überfall verwundeten Reiter sollten nochmals verhört werden. Zwei der vier Reiter waren auf Genesungsurlaub in Deutschland, der dritte an Typhus inzwischen verstorben, so blieb nur noch der Gefreite Lämmer, der – van Semmern war schon wieder im herbstlichen Berlin – mit einem Knieschuß im Lazarett von Warmbad lag und zu Protokoll gab: Er habe von dem längeren Gespräch, das der Oberveterinär mit Morenga führte, wenn auch in Hörweite liegend, nichts verstanden, da die beiden sich in Nama unterhalten hätten. Aufgefallen sei ihm nichts Wichtiges, wenn man einmal davon absähe, daß der Oberveterinär, als er zu Morenga geführt wurde, diesem die Hand hingestreckt habe, die dieser einfach übersehen habe, was er, Lämmer, für eine unglaubliche Unverschämtheit gehalten habe. Aber irgend etwas Verdächtiges habe er weiter nicht bemerken können. Dem Oberveterinär wurden, wie den anderen Verwundeten auch, alle persönlichen Gegenstände belassen. Auf Anweisung Morengas wurde sogar nach einem Tagebuch von Gottschalk gesucht, das beim Plündern aus der Satteltasche des Kamels verschwunden war. Es konnte aber in dem großen Durcheinander, und da viele Hottentotten schon betrunken waren, nicht wiedergefunden werden. Solche Hefte, überhaupt Bücher, seien bei den pfeiferauchenden Hottentotten als eine Art Feuerzeug sehr gefragt.
Am Abend, nachdem die Ochsen gar waren, habe man auch die Verwundeten ans Feuer getragen und ihnen Fleisch zu essen und etwas zu trinken gegeben. Er selbst habe zum erstenmal Sekt der Marke Kupferberg getrunken, den Sekt, den Bismarck doch immer zum Frühstück getrunken habe. Auch der Oberveterinär habe am Feuer gesessen und ebenfalls getrunken und gegessen. Am nächsten Morgen habe man sie auf eine Karre geladen. Morenga persönlich habe sich verabschiedet und gesagt: Gefangene würde er nicht töten Wir sollten das in der Truppe verbreiten. Er kämpfe mit seinen Leuten für das Leben. Der Oberveterinär habe Morenga ein Drahtgestell geschenkt und ihm dazu etwas in Nama gesagt, was er wieder nicht habe verstehen können. Er sei sicher, daß es sich nicht um ein Maschinengewehrteil gehandelt habe, das kenne er schließlich als MG-Schütze. Zum Abschied habe Morenga dem Veterinär die Hand gereicht. Danach seien sie zur Missionsstation gefahren, wo sie von dem Pater Meisel empfangen wurden. Da sei ihm allerdings aufgefallen, daß der Pater den Oberveterinär gefragt habe, warum er nicht gleich dort geblieben sei.
Lämmer gab dann noch ausdrücklich zu Protokoll, daß er dem Oberveterinär sehr dankbar sei, denn ohne dessen Hilfe hätte er bestimmt sein Bein verloren, wenn er nicht gar verblutet wäre.
In dem Vernehmungsprotokoll hat jemand dort, wo die Rede von dem Drahtgestell ist, ein großes Tintenstiftfragezeichen gemacht. Aber wegen dieses einen Fragezeichens, auch wenn es mit Nachdruck gemacht worden war, wollte man den Oberveterinär nicht abermals nach Warmbad kommen lassen. Zumal Lämmer versichert hatte, daß es sich auf keinen Fall um den Teil eines MGs oder Geschützes gehandelt habe.
Damit wurde die Akte: »Betrifft Kontaktaufnahme des Oberveterinärs Gottschalk mit dem Bandenführer Morenga« abgeschlossen, in Pappdeckeln vernäht und im Archivkeller des Bezirksamts Warmbad abgelegt.
Im Generalstabs-Werk gibt es eine kurze Eintragung über den Vorfall: »Die Bondels, bei denen Morenga trotz seiner Absetzung zunächst noch den überwiegenden Einfluß behauptet zu haben scheint, setzten ihren Marsch nach Süden
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