Morenga
Lakto-Vegetarismus zu überzeugen. Der Darm, auch das Gebiß kennzeichneten den Menschen zwar als einen Gemischtesser, jedoch mit einer eindeutigen Neigung zur Pflanzenkost. Diese Neigung gälte es voll zu entfalten, damit der Mensch auch in seiner Ernährung zu sich selbst komme. Abgesehen von seiner Familie schloß sich lediglich eine zweihundertzwölfjährige Frau, dieses Alter galt im Stamm als verbürgt, seiner Ernährungsweise an. Um den Speiseplan abwechslungsreicher und damit auch attraktiver zu gestalten, begab sich Kreft auf die Suche nach neuen Gemüsesorten. So fand er ein kohlrabiähnliches Gewächs, das er, trotz eindringlicher, ja flehentlicher Warnungen seiner Gemeindemitglieder, zu einem Essen bereitete und – er war ein Bewunderer Friedrichs des Großen – vor seiner Hütte unter den staunenden Blicken aller einnahm. Zwei Stunden später krümmte er sich schreiend am Boden, aus seinen Eingeweiden drang ein stinkender Schlamm, sogar seine Poren sonderten einen trüben Schleim ab. Er sah die Sonne erst schwarz, dann doppelt und schließlich gar nicht mehr. Da kann nur noch Petrus Swart helfen, sagten alle zu der Missionarin, die, obwohl sie einen Kurs in Erster Hilfe absolviert hatte, nur noch die Hände rang vor Entsetzen. Swart kam und flößte dem schon Bewußtlosen einen geheimnisvollen Sud ein. Zwei Wochen später konnte Kreft die ersten Schritte machen, und er erholte sich schließlich ganz. Dem Lakto-Vegetarismus mußte er entsagen, wollte er nicht ständig danebengreifen. Bewundert wurde aber sein Mut, und man schickte, nachdem er wieder genesen war, die Kinder in seine Missionsschule.
In den nächsten Jahren gelang es der gläubigen Zähigkeit Krefts, der schon in der Volksschule den Spitznamen der Terrier trug, mit der tatkräftigen Unterstützung des asketischen David Christian, die Viehräuberei des Stammes weitgehend zu unterbinden. Von kleinen Gelegenheitsdiebstählen einmal abgesehen, kam es kaum noch zu den großangelegten und sorgfältig vorbereiteten Raubzügen gegen die Herero. Bei der Einhaltung des siebten Gebots half allerdings nicht unwesentlich, daß auch die Herero sich inzwischen mit Gewehren bewaffnet hatten und daß in letzter Zeit die Nachfrage nach Straußenfedern erheblich gestiegen war. Diese Federn liefen sozusagen vor den Pontoks herum, und man konnte sich ihrer leichter bemächtigen als der Hererorinder, derer man erst nach blutigen Kämpfen und langen Märschen habhaft wurde. In Bethanien wartete man schon seit drei Monaten auf einen Händler. Nicht allein um die gehorteten und von Motten und Termiten bedrohten Straußenfedern loszuwerden, sondern vor allem, weil man (die kalte Jahreszeit stand bevor) Decken brauchte, auch Pulver und Blei, abgesehen von all den anderen Dingen, wie Messer, Sägen, Garne, Nadeln. Und David Christian wollte durch den Erwerb eines großen Kupferkessels endlich den Familienfrieden wieder herstellen. Die Mahlzeiten sollten in einem Topf gekocht werden, damit die lauten Streitereien unter den Kindern und Greisen aufhörten, in welchem Topf die größeren Fleischstücke wären. David Christian wollte endlich Ruhe haben, um über die Zukunft seines Stammes nachdenken zu können. Ihn bewegten große Pläne, darunter der Bau eines Steinhauses für sich und seine Familie und eines zweiten Hauses für den Stammesrat.
Was ihn und alle anderen beunruhigte, waren die Gerüchte, die über diesen Händler, der zum ersten Mal auch nach Bethanien kommen sollte, in Umlauf waren. Er hatte den Oranje noch nicht durchquert, da hieß es, sein Ochsenwagen sei eigentlich gar kein Ochsenwagen, sondern ein riesiges Ei auf Rädern, ein Ei, das in dem warmen Sand der Namib bebrütet werden solle und aus dem dann ein gewaltiger Vogel ausschlüpfen würde, ein Vogel, der mit einem Schwingenschlag die Sonne verdunkeln könne. Dann kam jemand aus Warmbad, der dort jemanden gesprochen hatte, der als Trankocher in Kapstadt gearbeitet hatte und behauptete, das Ei sei gar kein Ei, sondern ein Walfisch, aus dem Öl für Lampen gewonnen werden solle. Der Gestank nach Tran und Aas sei bei günstigem Wind über Meilen zu riechen, noch bevor man das Gespann zu Gesicht bekäme, er habe das Ochsengespann zwar nicht gesehen, aber doch gerochen, und er kenne sich genau aus, es sei eben dieser Trangeruch gewesen. Einige Tagesreisen von Bethanien entfernt, am Löwenfluß, will ein Bergdamara das Gefährt mit eigenen Augen gesehen haben. Es sei ein normales Ochsengespann, aber
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