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Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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es habe lediglich einen gewaltigen Baumstamm von der Höhe der Kirche geladen, den der Händler, Klügge mit Namen, durch die Steppe schleppen ließ, da die Nächte schon bald sehr kalt würden und Klügge dafür bekannt sei, daß er nachts, auch in zwei Decken eingewickelt, fürchterlich fröre.
    An einem Donnerstag erschien das Gespann am Horizont. Doch als es langsam in Bethanien einfuhr, standen die Hottentotten und die Missionarsfamilie staunend und fassungslos gaffend. Zweiundzwanzig Ochsen zogen einen schweren Wagen, auf dem lediglich ein gewaltiges Faß lag. Ein Faß, in dem bequem fünfzig Männer Platz gefunden hätten. Das größte Faß, das jemals durch die Steppen und Wüsten des südlichen Afrika geschleppt worden war. Und auf die neugierigen Fragen des Missionars und des Häuptlings, was das Faß denn enthalte, antwortete Klügge: Branntwein.
    Klügge behauptete von sich, er sei ein guter Menschenkenner (die wichtigste Voraussetzung für einen erfolgreichen Händler) und der beste Hottentottenkenner überhaupt (ich kann die Geschäfte riechen, pflegte er zu sagen und zeigte dabei auf seine fleischige Nase, zog demonstrativ schnüffelnd die Luft ein). Klügge deutete das plötzlich versteinerte Gesicht des Häuptlings David Christian als den geschickten Versuch, seine Begeisterung vor dem danebenstehenden Missionar Kreft, einem fipsigen Bürschchen mit feindseligem, geschäftsschädigendem Blick, zu verbergen. Auch die beständig lächelnden Missionarsaugen von Frau Kreft hatten sich bei dem Wort Branntwein verfinstert. Die Fragen nach Pulver, Blei, Messer, Garnen, vor allem nach einem Kupferkessel, nach verschiedenen Deckensorten beantwortete Klügge mit einem Zucken seiner breiten Schultern und sagte, solchen Kleinkram führe er nicht, er habe doch keinen Kramladen. Was er anbieten könne, seien mehrere Hektoliter Branntwein von der besten Sorte und selbstverständlich unverdünnt. Er, Klügge, könne einen angenehmen Rausch garantieren, am nächsten Morgen keine Kopfschmerzen und kein Erblinden.
    Als David Christian sagte, er habe ein Verbot des Branntweinhandeis im gesamten Bezirk Bethanien erlassen, nahm Klügge das für einen Scherz, bis er das schadenfrohe Lächeln im Gesicht des Missionars entdeckte. Da hatte er also über Hunderte von Kilometern dieses Faß durch Wüstensand und sengende Hitze hierher transportiert und traf auf einen trockengelegten Stamm, auf einen Häuptling mit einem, wenn man genauer hinsah, asketischen Zug im Gesicht: diese beiden strengen Falten zwischen den Augen, die eingefallenen Wangen, der fanatische Blick – und doch war auch etwas Wollüstiges in der unteren Mundpartie, wenn auch von den verkniffenen Mundwinkeln krampfhaft zurückgedrängt. Da war eine unterdrückte, verschüttete Genußfähigkeit, das sah Klügge, und die galt es freizulegen.
    Klügge bat David Christian darum, einige Tage in Bethanien bleiben zu dürfen, die Ochsen müßten sich erholen. Er wolle dann in Richtung Norden weiterziehen.
    Das wurde ihm gestattet, unter der Bedingung, daß er keinen Branntwein verkaufe. Missionar Kreft lud Klügge ein, im Missionshaus zu wohnen. Klügge lehnte nicht ab. Er ließ das Faß vor das Haus fahren. So behielt er es im Blick. Es stand da weithin sichtbar wie ein Denkmal, das an vergangene, so vergnügliche Tage erinnerte. Bis zum Einbruch der Dunkelheit umstanden die Einwohner Bethaniens dichtgedrängt das riesige Faß, bestaunten die kräftigen Zugochsen, darunter den apfelgrauen Christopherus aus dem Stamm Vielfleck, der stärkste Trecker im Süden, der aber leider mondsüchtig war. Bei Vollmond mußte er ausgespannt werden, da er nachts unruhig brüllend sich umhertrieb und tagsüber erschöpft stand.
    Sogar David Christian wollte mit der Hand über das massive Holz des Fasses fahren.
    Klügge verfügte, daß keiner mit dem Messer einen Span von dem unbekannten Holz sich abschnitze, solide, schwere Eiche, die Klügge aus Frankreich hatte kommen lassen, gut abgelagert. In der größten Böttcherei Kapstadts hatte er das Faß nach eigenen Berechnungen mit genauen Angaben der Höhe, Breite und der verschiedenen Durchmesser in Auftrag gegeben und dann das Biegen der zuvor eingefetteten schweren Dauben, später auch das Fügen, persönlich überwacht. Das Gelingen dieses kühnen, weitreichenden Projekts, das Klügge schon seit seiner Ankunft in Kapstadt vor über fünfzehn Jahren plante, hing entscheidend davon ab, inwieweit es gelang, das Faß so abzudichten,

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