Morenga
heißt, das aus keiner der bekannten literarischen Vorlagen stammen konnte. Hier lagen also primäre Erfahrungen vor.
Klügge wurde von seinem Vater nach Düsseldorf geschickt und begann dort, auf Vermittlung eines Bekannten, eine kaufmännische Lehre in einem Import-Export-Geschäft. In dem finsteren Büroraum des Kontors trug Klügge an einem Stehpult die georderten Tuche und Garne in die Auftragsliste ein und schrieb heimlich, zwischen den Geschäftsbriefen, lange und wollüstige Poeme, in denen sich die Kiele der Schiffe in das aufschauernde Meer bohrten, aus dicken fleischfarbenen Blättern des Dschungels Säfte tropften, Orchideenstempel bläulich ejakulierten, ein schwarzer Panther seine Pranke in die weiße Brust einer Frau schlug, gelb wie Mondgestein leuchteten seine Augen, und in der Luft war der Geruch von Aas und süßlich schwer von Samen.
Ein Jahr nach Abschluß seiner Lehre bestieg Klügge am 20. Januar 1842 in Rotterdam einen Segler, der ihn nach Kapstadt brachte. Ein Jahr arbeitete er in einem Geschäft in Kapstadt, das auf den Import von Knöpfen, Gürtelschnallen und Schildpattkämmen spezialisiert war. Allerdings wurde er nicht seiner Ausbildung entsprechend beschäftigt, denn die gesamte Korrespondenz, die Buchungen und Warenaufträge machte der Geschäftsinhaber Aron Silbermacher. Klügge stand mit Frau Silbermacher im Laden und verkaufte Knöpfe en gros und en detail. Ihm kam dabei seine Körpergröße zustatten. So mußte er nicht die Leiter an den hohen Wandschränken hin und her tragen, um aus den zahlreichen kleinen Schubladen die verschiedenen Größen der Perlmuttknöpfe, Hornknöpfe, Knöpfe aus Glas, Silber, Messing oder die feuervergoldeten Marineknöpfe herauszusuchen; er konnte, wenn er sich auf die Zehenspitzen stellte, sogar in die oberste Schubladenreihe langen.
Irgendwann in dieser Zeit, zwischen Ladentisch und den hohen Regalen mit den kleinen Knopfkästen, draußen in einer regnerischen Dämmerung waren die Nebelhörner und Glocken der Schiffe zu hören, muß Klügge sich vorgenommen haben, reich zu werden. Er wollte Geld verdienen, und zwar viel. Das Merkwürdige war, daß er dabei nicht daran dachte, was er mit dem Geld einmal machen würde. Er sah sich nicht als Besitzer eines jener weißen Häuser im klassizistischen Stil, die an der Küste standen, Palmen im Garten, windgeschützte Orangerien zur Seite, sondern seine Vorstellung richtete sich allein darauf, wie er zu dem Geld gelangen würde, wie er sich dann Waren kaufen könnte, zu einem günstigen Preis, und sie dann wiederverkaufen könnte, wobei er eine möglichst große Gewinnspanne erreichen wollte. Hier in Kapstadt waren die Preise, wenn man von geringen Schwankungen durch günstige Angebote absah, vorgeschrieben, aber dort, wo man sie tauschen konnte, kam es allein auf die Geschicklichkeit des Händlers an, denn im Landesinneren kannte man noch kein Geld. Er sah sich ein gewaltiges Unternehmen aus dem Nichts aufbauen. Er würde weit über die Grenzen ausgreifende Handelsbeziehungen knüpfen, seine Ochsenwagen würden das nördliche Afrika durchziehen, und mit ihnen würde die Zivilisation der Weißen kommen. An Sonntagen saß er in seinem Zimmer und rechnete verschiedene Möglichkeiten durch, was er von seinem ersparten Geld an Knöpfen, Kämmen und Schnallen kaufen konnte. Wobei zu bedenken war, daß der Bedarf an Kämmen bei den Hottentotten mit ihrem kurzen krisseligen Haar nur begrenzt war. Nachdem Klügge den Zwischenhändler für Knöpfe ausgeforscht hatte, den Aron Silbermacher geheimhielt, um sich so sein Knopfmonopol in Kapstadt zu sichern, machte sich Klügge im Mai 1843 selbständig. Er kaufte einen kleinen Wagen mit einem Maultiergespann und ließ sich in Bitterfontein nieder, von wo aus er die umliegenden Eingeborenenwerften besuchen konnte. Er hatte sich auf Knöpfe, Pfannen und Kochtöpfe spezialisiert, die er gegen Rinder, Ziegen und Schafe tauschte, von denen er einen Teil an die vereinzelt lebenden weißen Farmer verkaufte, den Rest einmal im Jahr zu den Schlachthöfen nach Kapstadt trieb.
Enttäuscht war Klügge von der Unverfrorenheit der Eingeborenen in geschäftlichen Dingen. Er hatte gehofft, unverbildete Wilde zu finden. Jetzt traf er auf Hottentotten, die, wenn auch zerlumpt, so doch europäisch gekleidet waren. Wo er hinkam, wurde er nicht mit der herzlichen Freizügigkeit begrüßt, die man im allgemeinen diesen Menschen nachsagte, sondern mit unverhohlenem Mißtrauen und
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