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Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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erste Mal, daß Klügge, auch vor sich selbst, Vorstellungen entwickelte, was er mit seinem Geld machen wollte. Aber er brachte sich selbst mit den genannten Plänen nicht in Verbindung. Er nannte vielmehr Wünsche, die er oftmals von anderen Händlern gehört hatte. Indem er so von der Zukunft sprach, darin einen Platz für sie beide suchend, wurde er wiederum unsicher, ob er tatsächlich mit ihr zusammenbleiben wolle. Wir passen doch gut zusammen, sagte er, und das war, wenn auch nicht förmlich, dennoch ein Heiratsantrag.
    Sabine sagte: Ja. Aber. Die Vorstellung, mit diesem riesigen Faß durch dieses öde Land zu ziehen, war beklemmend. Und auch Klügge, den sie jetzt manchmal wie mit anderen Augen sah, wirkte bedrohlich in seiner Massigkeit. Etwas Unförmiges war an diesem Mann, so als habe er sich diesem gewaltigen Faß angepaßt, und es überkam sie eine peinigende Scham bei dem Gedanken, wie sie es mit diesem Elefanten getrieben hatte. Aber sie sagte: Ja.
    Wenig später erschien in seinem Sonntagsanzug, einem abgelegten Diplomatenfrack, David Christian, zu dem die Schreckensnachricht gedrungen war, daß Klügge in den nächsten Tagen das Faß zu einem anderen Stamm schleppen lassen wolle, und zwar zu den Feldschuhträgern, denen man nicht grün war, nachdem sie mehrmals den Bethaniern Schafe abgetrieben hatten. Ausgerechnet die sollten sich nun an diesem Branntweinfaß vollnuckeln, während Bethanien trocken zurückblieb. Das mußte um jeden Preis verhindert werden. David Christian konnte dann aber auf Klügges Frage, was er denn zu bieten habe, lediglich sagen: Nichts. Jedoch könne er in weniger als sieben Wochen Rinder beschaffen. Hererorinder. Man würde die von den Herero holen, was allerdings nicht ganz ungefährlich sei, da sich inzwischen auch die Herero mit Gewehren bewaffnet hätten.
    Klügge lehnte dieses Angebot ab. Die Fleischpreise seien in der Kapprovinz ins Bodenlose gefallen. Die vergangenen Jahre hatten viel Regen gebracht, und die Herden hatten sich daher überdurchschnittlich vermehrt und standen gut im Fleisch. Auf den Schlachthöfen drängten sich die blökenden Ochsen. Nicht einmal Dörrfleisch sei mehr gefragt. Dagegen sei die Nachfrage nach Straußenfedern groß. Klügge war auch nicht mehr bereit, auf Pump Branntwein auszuschenken.
    Der Stammesrat wurde einberufen. Nüchtern und mit schweren Köpfen wurde darüber beraten, wie man das Faß am Ort halten könne.
    Man beschloß, auch die letzten Strauße in der Gegend zu Tode zu hetzen. Der Vorschlag des Kirchenältesten Lukas, sie lediglich zu fangen und ihnen dann die Schwanzfedern auszureißen, konnte nicht durchgeführt werden, da die ausgewählten Reiter noch immer nicht die erforderliche Geschicklichkeit im Lassowerfen erreicht hatten.
    Zwei Wochen später war auch der letzte Vogel Strauß in der Gegend von Bethanien erlegt und seiner Schwanzfedern beraubt worden. Am Himmel kreisten die Geier.
    Klügge wollte jetzt endgültig aufbrechen.
    Am Abend vor der Abreise ging Sabine Kreft ins Missionshaus, in dem sie nun mehr als fünf Jahre gelebt hatte, sie wollte wenigstens die mit einem Tretbrett anzutreibende Nähmaschine, das Hochzeitsgeschenk eines Großonkels, von ihrem Mann zurückverlangen. Klügge lag allein und frierend im Zelt. Stunde um Stunde verging. Aus dem Haus hörte er die Stimmen von Missionar Kreft und Sabine. Sie hatten seit jenem Tag, als der Missionar nach Bethanien zurückgekommen war und seine Frau aus dem Hause verwiesen hatte, kein Wort mehr miteinander gewechselt. Klügge kroch aus dem Zelt. Seine Gelenke schmerzten. In letzter Zeit hatte er das Gefühl, als habe sich ausgerechnet dort der Sand abgelagert, den er in all den Jahren in diesen Wüstenstrichen hatte schlucken müssen. Er wünschte, daß sie bald herauskommen möge. Er hatte ihr gesagt: Was liegt an einer Nähmaschine? In Kapstadt wollte er ihr das neueste Modell kaufen. Aber sie bestand darauf, gerade dieses Hochzeitsgeschenk mitzunehmen, sie wolle diesem heuchlerischen, einfallslosen Kreft nichts schenken. Im Haus wurden die Stimmen lauter, deutlich hörte Klügge einen kleinen Schrei der Frau und wollte schon ins Haus stürzen, da hörte er ein Stöhnen, jetzt, aber dann auch das Ächzen des Missionars.
    Klügge legte sich unter den Zapfhahn des Fasses, ließ sich schnell vollaufen und sprach, was er sich vordachte, langsam nach: Dieser verfickte kleine Missionarsterrier. Diese läufige christliche Hündin. Er dachte das immer abwechselnd und

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