Morenga
die Missionarin über diesen Satz, wobei sie sich aus nicht ersichtlichen Gründen (sie hatte ebenmäßige Zähne) jedesmal die Hand vor den Mund hielt: Für meinen Mann ist der Alkohol des Teufels. Was für ein ulkiger Satz. Des Teufels. Ihr sei jetzt so heiß, sagte sie. Man müßte tanzen können. Nur tanzend könne man in diesem trostlosen Land überleben. Und dann geschah in dieser Nacht etwas, für das sich viele Erklärungen finden lassen, die aber, auch wenn man sie alle zusammennimmt, das Unfaßliche dennoch nicht verstehbar machen. Sicherlich hat die jahrelange Eintönigkeit des Lebens in Bethanien eine Rolle gespielt, auch ein ehelicher Überdruß an Kreft, der in seiner Fipsigkeit zwar tapfer und aufrecht war (der Terrier), aber doch in seiner gläubigen Beständigkeit etwas Monotones, Lastendes hatte. Hinzu kommt, daß die Krefts über Monate enthaltsam gelebt hatten, was nicht allein aus der christlichen Überzeugung des Missionars resultierte (das Fleisch ist schwach!), sondern vielmehr aus seiner einseitigen Ernährung durch den Lakto-Vegetarismus und seiner Schwächung als Folge der schweren Vergiftung durch das kohlrabiähnliche Knollengewächs. Natürlich wird auch Klügge eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben, dieser breitschultrige Riese mit seinen wilden Geschichten. Hingegen wird der Alkohol, jene drei Gläser Grog, nicht den Ausschlag gegeben haben, wie es später der Missionar seiner Frau einzureden versuchte. Diese drei Gläser (sie waren von Klügge nicht einmal als Hilfsmittel einer Verführung gedacht) werden das, was dann passierte, allenfalls begünstigt haben. Auf jeden Fall konnte man plötzlich in jener klaren, eisig ruhigen Nacht ein durchdringendes Seufzen hören und dann ein Stöhnen, so als zöge jemand im Lauf die Luft gewaltsam ein, gefolgt von einer tieferen Stimme, schmatzend und ächzend. Während das helle Keuchen, das offenbar aus dem Munde einer Frau kam, schneller wurde, holte das tiefe Röhren langsam auf, kam näher, näher und überholte es schließlich, aber, während die Einwohner Bethaniens von diesem unerhörten Wettlauf angezogen aus ihren Pontoks krochen und dem Keuchen nachgingen, bis sie vor dem Missionshaus standen, in dem dieser Wettkampf ausgetragen wurde, da wurde das kleine helle Keuchen schneller und schneller, kam langsam wieder an das voraneilende röhrende Keuchen heran, bis die staunende Menge vor dem Haus hörte, wie die beiden mit einem erleichterten Gebrüll ihr Ziel erreichten. Das, konnte man die Missionarin vernehmen, habe sie noch nie erlebt. Die grinsende Menge hörte aus dem sonst so stummen Haus ein Schmatzen, als würde eine Flasche entkorkt, danach das glucksende Lachen Klügges, ein schrilles Gekicher der Missionarin, dann die Stimme Klügges: Dreh dich mal um, nein, so, und jetzt die Beine anziehen, und schon wieder begann ein neuer Lauf, ein lautes Stöhnen, ein keuchendes Hetzen. Draußen nickte man anerkennend. Wenig später trat ein zufrieden blickender Klügge aus dem Haus, in der Hand einen Blechnapf, überrascht von dieser schweigenden Menge, während man die Missionarin im Haus singen hören konnte: Wenn alle Brünnlein fließen, so muß man trinken, wenn ich mein Schatz nicht rufen darf, tu ich ihm winken. Es war erstaunlich, wieviel Platz diese so schlanke Frau ihm geboten hatte, wie sie mit ihren kleinen weichen Händen geschickt seinen Sack umfaßt hielt, ihm dann sacht einen Finger in den Arsch bohrte. Einen Augenblick hatte Klügge den Verdacht, daß die Missionarin vielleicht doch nicht so ganz unerfahren war, wie es am Anfang schien, aber dann sah er in diese staunenden Gesichter der noch immer stumm dastehenden Hottentotten, und er sah, daß diese Menschen und auch die Frau in dem Missionshaus seit Jahren im Durst standen. Da ging Klügge zu dem Faß hinüber, das sich riesig in den bestirnten Himmel wölbte, zapfte sich, nachdem er sorgfältig die Sicherungen aufgeschlossen hatte, einen Becher Branntwein ab und lud in einer überschwenglichen Laune und ohne jeden geschäftlichen Hintergedanken das ganze Dorf zum Mittrinken ein: Freibranntwein.
Als Missionar Kreft zwei Tage später nach Bethanien zurückkehrte, an einem Freitagnachmittag, hörte er, lange bevor er die Siedlung erreichte, ein Schreien und Grölen. Das Herz wollte ihm stehenbleiben, er dachte, die Herero seien gekommen, um späte Rache für all die Viehdiebstähle zu nehmen. Aber dann hörte er ein Schifferklavier und das Harmonium, das nur seine
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