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Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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einen scharfen Nachtfrost brachte, kam ein schmerzerfülltes Seufzen aus Klügges Mund. Er behauptete, mit jedem Atemzug vereise seine Lunge mehr. Kaum könne er noch durchatmen, er würde sonst innerlich zerspringen. Etwas Fremdes habe schon fast sein Herz erreicht, darunter sei alles erstarrt. Man brachte ihm zusätzliche Decken, legte noch mehr Knüppel in das Feuer, aber Klügge behauptete, nur eine gewaltige Flamme, die bis zum Horizont lohe, könne noch das Eis in ihm schmelzen. Nachdem er eine lange Zeit wie erstarrt am Feuer gesessen hatte, immer wieder diese Seufzer ausstoßend, die etwas Unmenschliches hatten, stand er plötzlich auf, nahm ein brennendes Scheit aus dem Feuer und ging zum Faß, zog den Pfropfen heraus und hielt das Scheit an den heraussickernden Branntwein. Es zeigte sich, daß der reine Alkohol, den Klügge dem Branntwein zugegeben hatte, immer noch stark genug war. Mit einem leisen Puff züngelte eine kleine blaue Flamme die Branntweinspur entlang, fraß sich langsam und zögernd in das trockene Eichenholz, das knackend und knisternd Feuer fing. Wenig später schlugen riesige Flammen in den nächtlichen Himmel.
    Das Faß brannte. Den Widerschein des Feuers konnte man sogar in Geiaub sehen, das weit über fünfzig Kilometer entfernt lag, wohin Klügge das Faß hatte bringen wollen. Es war das größte Feuer, das je in dieser Gegend zu sehen war. Und erst viele Jahre später sollten die Leute von Morenga ein noch größeres Feuer legen.
    Klügge stand vor den knatternden Flammen, dem krachenden Holz und wärmte sich die Hände. Zweimal mußten seine Treiber mit Decken auf ihn einschlagen, da seine Kleider Feuer gefangen hatten. Am darauffolgenden Tag ließ Klügge sich die Schottschekarre vom Frachtwagen heben und sagte, er wolle wieder ins Geschäft kommen. Freilich ein Geschäft von höherer Art. Adam Smith habe schon gesagt, es müßten sich neue Interessen herausbilden, damit sich der Mensch nach oben entwickeln könne. Er wolle den Holunderbusch suchen. Einen Teller mit Holunderbeersuppe könne er mit purem Gold aufwiegen.
    Auf die Frage Zeuls, was er denn mit den sechstausend Straußenfedern machen solle, antwortete Klügge: Ihm sei das ganz egal, Zeul könne sie sich allerdings auch an den Hut stecken.
    Die Karre vor sich herschiebend, stapfte Klügge mit versengtem Haupt- und Barthaar durch den Sand davon.
    Er wurde später noch in verschiedenen Werften gesehen, wo man ihm zu essen gab und zu trinken. Aber man konnte sich nicht mehr mit ihm verständigen. Was er sprach, war weder Deutsch noch Englisch, noch Holländisch. Es war eine fremde, nie gehörte Sprache. Zuletzt wurde er in Otjizeva gesehen. Es war Fronleichnam, ein Donnerstag, als er den Ort verließ. Man habe ihn, wurde später berichtet, noch lange in der Ebene sehen können, wie er, die Karre schiebend, langsam kleiner wurde und in der Ferne verschwand.

Gefechtsbericht 3
    Die Unternehmungen
    des Obersten Deimling gegen Morenga
    in den Großen Karrasbergen
    im März 1905

    Nachdem es Oberst Deimling nicht gelungen war, die Witboois Ende 1904 bei Naris zu schlagen (zerschmeißen), war er in eine schiefe Situation gekommen. Einmal persönlich, als Kommandeur der Südabteilung, zum anderen in militärisch-operativer Hinsicht. Im äußersten Süden stand Morenga mit seinen Aufständischen im Gebiet des Großen Karrasgebirges und bedrohte von dort den Nachschub aus der Kapkolonie und vom Hafen von Lüderitz. Im Nordosten waren die Witboois irgendwo in der endlosen Steppe verschwunden, bedrohten aber beständig die rückwärtigen Verbindungen nach Windhuk. Die Südabteilung war in der Klemme. Irgend etwas mußte geschehen. Mitte Januar verlegte Deimling sein Quartier nach Keetmannshoop in den Süden. Da der Standort der Witboois nicht genau auszumachen war, und da er nach dem Debakel seiner Aob-Operation es scheute, mit größeren Truppenverbänden in das wasserlose Gebiet einzudringen, entschloß sich Deimling, die Aufständischen im Karrasgebirge anzugreifen.
    Morenga hatte sich von Dezember bis März ruhig verhalten. Es mangelte ihm, wie man später aus Gefangenenaussagen erfuhr, an Munition.
    Deimling mußte, um die konzentrische Operation gegen Morenga durchführen zu können, zuerst das Nachschubproblem lösen. Zwar gab es im Gebirge wesentlich mehr Wasserstellen als im Aobgebiet, dafür war das Gelände für Ochsenwagen unzugänglich, weil zu steil und felsig.
    Der Major i. G. Buchholz arbeitete Lösungsvorschläge aus:

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