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Morenga

Morenga

Titel: Morenga Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Timm
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unter ihm, zwischen seinen Füßen, ein gieriges Schlürfen und Schmatzen. Endlich gelingt es ihm, den Pfropfen in das Loch zu drücken. Jetzt tröpfelt es nur noch.
    Erschöpft dreht er sich um und blickt in das grinsende Gesicht von Doktor Dominicus. Ein dummer Zufall, sagt der, es ist beim Gewehrputzen passiert, genausogut hätte es auch ihn, Klügge, treffen können. Also Glück im Unglück. Und er hält die Büchse vor sich, den Lauf auf Klügge gerichtet.
    Die Sonne war noch nicht aufgegangen, da ließ Dominicus die Zugochsen vor seinen Wagen treiben. Er wünschte Klügge viel Erfolg. Das Loch im Faß lasse sich sicherlich abdichten.
    Bei Tageslicht untersuchte Klügge die Einschußstelle. Sie lag an der Seite des Fasses und ziemlich genau in der Mitte, aber leider sehr weit unten. Er schnitzte einen Holzpfropfen mit einem größeren Durchmesser. Dennoch würde er, da die Einschußstelle gesplittert war, das Loch zusätzlich mit Stoff abdichten müssen. Als er die Pfropfen wechselte, drängten sich die Treiber, obwohl noch immer angesoffen, mit gierigen Blicken heran.
    Klügge stellte einen Eimer unter das Loch und zog dann schnell den einen Pfropfen heraus, sofort schoß ein dicker Strahl Branntwein heraus. Er trieb den Holzpflock mit einigen Hammerschlägen in das Loch. Dann ließ er anspannen und zog weiter. Besorgt sah er dieses zwar dünne, aber nicht abreißende Rinnsal, das am Faß entlanglief und in den Sand tröpfelte. Zweimal ertappte er einen Treiber, der gebückt unter dem Faß lief, hechelnd, den Kopf nach oben verdreht, und mit der Zunge die Branntweintropfen auffing. Ein, wie Klügge fand, ekelhafter Anblick.
    Er sah diese geilen Blicke, die immer wieder auf den Pfropfen gerichtet waren, der schutzlos in dem Faß saß. Klügge versuchte, in den folgenden Tagen in möglichst kleinen Zeitabschnitten zu schlafen. Aber mehrmals wurde er von einem tiefen Schlaf überwältigt und fand dann, als er aufwachte, das Loch zwar mit dem Pfropfen verstopft, aber alle Treiber besinnungslos betrunken im Schatten liegen. Am vierten Tag nach der Abreise von Doktor Dominicus konnte Klügge einen seiner Treiber auch mit Fußtritten nicht wachbekommen. Der Mann lag direkt unter dem Loch im Faß. Den Pfropfen mußte er gerade noch in das Loch gedrückt haben und dann dort zusammengesackt sein. Gegen Mittag starb der Mann.
    Mit seinen beiden Gespannen zog Klügge weiter in Richtung Westen. Er saß jetzt wieder auf dem Bock, grübelnd, die Hand an der Kehle. Seine Gelenke schmerzten. Er trieb auch nicht mehr zur Eile.
    An einem Abend sagte er zu dem Fahrer des Frachtwagens, Hermanus Zeul: Sein Plan habe einen kleinen, aber entscheidenden Fehler gehabt. Er sei zwar auch jetzt noch davon überzeugt, daß es besser sei und rationeller, ein großes statt viele kleine Fässer hierher zu transportieren, denn die kleinen würden mehr Platz benötigen, das liege nun einmal an der Form eines Fasses, und außerdem könnten sie einzeln auch leichter gestohlen werden. Aber er habe übersehen, daß ein großes Faß sehr verwundbar sei. Man müsse ein Faß konstruieren mit mehreren Quer- und Längsschotten, so wie man sie auch in Schiffe neuerdings einbaue, die, wenn sie an einer Stelle leckschlügen, dennoch nicht gleich vollaufen und absaufen könnten. Beim Faß sei es gerade umgekehrt. Ein Loch in der Außenwand könne allenfalls das Auslaufen eines Segments zur Folge haben.
    Die folgenden Tage, in denen Klügge mit seinen betrunkenen Treibern – zuweilen hatte er den Eindruck, daß auch die Ochsen berauscht waren – nur sehr langsam vorankam, verbrachte er damit, eine Konstruktionszeichnung anzufertigen. Ein gigantisches Faß mit einer Länge über alles von dreiundsechzig Metern, einem mittleren Durchmesser von achtzehn Metern und einem Faßbodendurchmesser von sechs Meter siebzig. Das Faß hatte sechs Querschotten und vier Längsschotten, in die jeweils wiederum kleine Fallschotts eingebaut waren, die durch in Röhren verlaufende Schnüre untereinander verbunden waren. All diese Schnüre liefen, durch Zahlen erkenntlich, oben in einem am Faß angebrachten Regulator zusammen. Die einzelnen Zellen konnten durch einen Zug an einer der Schnüre geöffnet werden. Das Erstaunlichste aber an dieser Konstruktion war das Fahrgestell, auf welches das Faß aufmontiert werden sollte. Dieses Fahrgestell war gewissermaßen ein kühner Vorgriff auf den erst Jahrzehnte später entwickelten Tieflader.
    Der Wagen zeigte insgesamt sechzehn

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