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Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel

Titel: Morgaine 1 - Das Tor von Ivrel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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oder etwas Unheimliches – es flog dicht über den Pferden dahin. Er versuchte seine Nerven im Zaum zu halten und tätschelte dem nervösen Schwarzen den Hals.
    Die Zeit bis zum Morgen zog sich endlos lange hin, bis sie an einer freien Stelle endlich zu halten wagten und abwechselnd schliefen. Morgaine durfte sich als erste hinlegen, und er schritt auf und ab, um wach zu bleiben, oder suchte sich einen unbequemen Sitzplatz aus, wenn er nicht mehr stehen konnte. Schließlich begann er sich mit dem Lederzeug zu beschäftigen, das der Schwarze nach wie vor trug; an einem solchen Ort wagten sie nicht abzusatteln, sondern lockerten lediglich die Gurte. Es beschämte ihn, daß er zum zweitenmal etwas gestohlen hatte, und er empfand es nicht als ehrenhaft, daß er aus seiner Beute mehr bei sich behielt, als er wirklich brauchte; trotzdem wäre es sinnlos gewesen, Dinge wegzuwerfen. Er durchsuchte die Satteltaschen, um zu erfahren, was er da an sich gebracht hatte, und um sich ein besseres Bild von Liell zu machen – diese zweite Überlegung lauerte im Hintergrund seiner Gedanken.
    Er fand einen Gegenstand, der seine Frage so durchschlagend beantwortete, daß sich ihm fast der Magen umdrehte.
    Es handelte sich um eine goldene Medaille im Griff eines Sattelmessers, wie viele Reiter es unter dem Rand des Sattels tragen; dieses Medaillon wies häßlicheckige Zeichen auf, wie er sie schon von den Steinen kannte.
Qujalin.
Wo immer unbekannte Dinge aus ferner Vergangenheit gefunden wurden, nannten die Leute sie
qujalin
und gingen ihnen aus dem Weg oder verbrannten sie oder warfen sie ins tiefe Wasser oder versuchten sie zu verlieren. Bei den meisten Stücken handelte es sich vermutlich nur um vergessene Kleinigkeiten aus der Kurshin-Vergangenheit, völlig harmlos. Doch irgendwie hatte er das Gefühl, daß dies bei seinem neuen Fund nicht der Fall war.
    Als Morgaine erwachte und ihre Wache antreten wollte, zeigte er ihr das Messer.
    »Das ist ein
irrhn«,
antwortete sie. »Ein Glücksbringer. Eine andere Bedeutung hat es nicht.« Trotzdem untersuchte sie den Fund eingehend und drehte ihn immer wieder in der Hand.
    »Es bringt kein Glück«, sagte Vanye, »ein Mensch zu sein.« 
    »In Leth gibt es
qujalin
-Blut«, meinte sie. »Und Liell ist dort Lehrer. Lehrer herrschen dort seit fast hundert Jahren. Jeder der Erben Leths hat einen Sohn hervorgebracht und ist innerhalb desselben Jahres ertrunken. Wenn Kasedre fähig ist, einen Sohn zu zeugen, wird er es seinen Vorahnen vermutlich nachmachen, während Liell Lehrer des Sohnes bleibt.« Und sie blickte auf die Klinge und fügte unpassend hinzu: »Der Hshi und Tlin zeugte.«
    »Und womit!« knurrte Vanye säuerlich. »Behalte die Klinge,
    liyo.
Ich möchte sie nicht bei mir haben. Vielleicht bringt sie dir Glück.«
    »Ich bin keine
qujal«,
sagte sie.
    Diese Feststellung hätte ihm noch vor wenigen Tagen, als sie sich kennenlernten, Zweifel oder Erleichterung gebracht, überlegte er; jetzt paßte sie unangenehm gut zu den Dingen, die er hinter ihr vermutete.
    »Was immer du bist«, sagte er, »erspare mir nähere Einzelheiten.«
    Sie nickte und akzeptierte damit seine Haltung, ohne offenbar gekränkt zu sein. Dann steckte sie sich das Messer in den Gürtel und stand auf.
    Im gleichen Augenblick bohrte sich zwischen ihren Füßen ein grüngefiederter Pfeil in den Boden.
    Sie griff hinter sich, legte die Hand an eine Waffe, nicht minder schnell als der Pfeil. Hastig griff Vanye nach ihr und stieß sie zur Seite, ohne darauf zu achten, ob er ihr weh tat: der Pfeil war eine Chya-Warnung. Wenn sie schoß, waren sie beide in Sekundenschnelle mit grünen Pfeilen gespickt.
    »Nein!« sagte er und wandte sich mit erhobenen Armen den unsichtbaren Beobachtern zu. »Hai, Chya! Chya! Wollt ihr euch mit dem Tod eines Klanmitglieds belasten? Wir sind klanwillkommen bei euch, Cousins!«
    Im Unterholz raschelte es. Er beobachtete, wie die großen blonden Männer aus der Familie seiner Mutter die Schatten verließen, wo sicher noch etliche Bogenschützen standen und auf ihre Herzen zielten, und stellte sich bewußt zwischen sie und Morgaines Stolz, der wie der Stolz eines Myya war und sie leicht das Leben kosten konnte.
    Die Ankömmlinge erkundigten sich nicht einmal nach den Namen, sondern blieben einfach stehen und warteten darauf, daß sie den Mund aufmachten und sich vorstellten. Sie starrten auf die lebendige Gestalt einer Frau, die in hundert Jahre alten Balladen im Detail beschrieben war, und

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