Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan
Unwetter begann. Sie ritten immer weiter, doch keine Hebung des Landes kündigte sich an, die Gegend wurde nur immer wilder; Morgaine führte sie hinein, blind auf die Entscheidung beharrend, die sie getroffen hatte.
Die Wolken zogen sich immer schwärzer zusammen, und der Wind kräuselte das Wasser der Pfützen. Einmal glitt etwas Großes und Dunkles ins Wasser, als Siptah darüber hinwegsprang — es verschwand unter der schlammigen Oberfläche. Flügelschlagend erhoben sich Vögel aus der Deckung und stimmten ein heiseres Geschrei an, das die Pferde erschreckte, doch sie verminderten das Tempo nur kurz.
Die Straße offenbarte plötzlich eine schlammige Schräge, eine Stelle, als wäre hier das Steinfundament gewaltsam herausgerissen worden, ein Wasserlauf führte hindurch, und Siptah sprang hinüber, die Hufe durch den Schlamm gleitend, die Beinmuskeln verkrampften sich, als er der gegenüberliegenden Schräge entgegenschnellte. Vanye schickte den Wallach hinterher, und das Pony glitt den Hang hinab. Der Wallach erholte sich von dem Aufprall mit einem Ruck, der Jhirun einen Schrei entlockte; er stand zitternd am Hang, das Pony aber hatte nicht mehr die Kraft oder den Willen, sich zu erheben. Vanye glitt hinab und nahm das Pony am Halfter und zerrte mit voller Kraft daran, woraufhin das Tier auf die Beine kam, doch es blieb einfach stehen und starrte ihn mit gesenkten Ohren und verdrecktem Fell an, die Augen Abgründe des Elends.
Vanye nahm den Halfter ab. »Nein!« rief Jhirun, doch schon drehte er dem Tier den Kopf herum, schlug ihm auf die verdreckte Kruppe und schickte es wieder den Hang hinab. Er hatte kaum Hoffnung für das Tier; das eigene Geschick war ihm dennoch wichtiger.
Er schlang das leere Seil und den Halfter an seinen Sattel, dann nahm er die Zügel und führte sein Tier den gegenüberliegenden Hang hinauf. Als er die Straße erreichte, war Morgaine nicht mehr zu sehen.
Er fluchte und stieg ungeschickt in den Sattel, indem er das Bein nach vorn herüberschwang, und vermied es, Jhirun überhaupt anzusehen. Sie klammerte sich an ihn, als er das erschöpfte Tier antrieb; er spürte, daß sie schluchzte, ob aus Kummer über das Pony oder aus Entsetzen über ihre Lage, wußte er nicht. Auf dem Gesicht spürte er nun die ersten Regentropfen, und Panik stieg in ihm auf, die bittere Gewißheit einer heraufziehenden Katastrophe.
Gleich darauf kam Morgaine in Sicht — sie wollte nun nicht mehr langsamer reiten, redete er sich ein, weil sie ebenfalls erkannt hatte, daß es keine Sicherheit mehr gab, und weil sie nun verzweifelt diese Gegend hinter sich bringen wollte, um das Ende zu finden, wie bisher schon alle Verfilzungen des Waldes ihr Ende gefunden hatten.
Das Klatschen der Regentropfen zwischen den Blättern wurde lauter. Sie narbten die glatten Wasserflächen und ließen die Luft abrupt kühler werden.
Nach kurzer Zeit konnten sie nicht mehr traben. Die Steinstraße war an den niedrigen Stellen überflutet, und die Pferde mußten
sich durch Unterholz kämpfen. Getrieben von einem starken Wind, peitschte der Regen schräg herab, blendete die Menschen und ließ die Tiere zur Seite ausbrechen.
Der Wallach stolperte über eine Wurzel und fing sich mit einer Anstrengung, die Vanye bis in die eigenen Muskeln spürte, ein alles ergreifendes Schaudern. Er warf das Bein über das Sattelhorn, glitt zu Boden und führte das Pferd weiter, suchte den Weg mit den eigenen Füßen, damit sich das Tier nichts tat. Vor ihm bewegte sich Siptah im Schritt.
»Liyo!«
rief er durch das Brausen des Wassers, das alle schwächeren Geräusche verschluckte. »Laß mich nach vorn!«
Sie hörte ihn und zog die Zügel an, ließ ihn den Wallach an sich vorbeiführen. Er sah sich um und erblickte ihr Gesicht — ausgemergelt und angespannt und elend vor Müdigkeit — und erinnerte sich daran, wie wenig sie geschlafen hatte. Inzwischen sah sie bestimmt ein, daß sie in ihrer Sturheit eine falsche Entscheidung getroffen hatte, daß sie auf Jhirun hätte hören sollen, die dieses Land kannte, die aber nichts davon sagte, daß sie die Gruppe zurückführen wollte. Jhirun sagte überhaupt nichts mehr, sie brachte keine Einwände vor, sondern klammerte sich einfach am Sattel fest, das Haar tropfnaß, der Schal ein durchfeuchteter Lumpen um ihre Schultern. Sie hob nicht einmal den Kopf.
Vanye drehte den Kopf in Wind und Regen und führte das Pferd weiter, wobei seine Füße in dem kalten Wasser schnell gefühllos wurden, denn
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