Morgaine 3 - Die Feuer von Azeroth
werde, kann ich nie mit Sicherheit voraussagen. Sin, geh zu den
qhal,
wenn du alt genug bist! Eigentlich dürfte ich dir das nicht sagen, aber ich tue es trotzdem.«
»Ich möchte am liebsten mit dir gehen. Und zwar gleich.«
»Du weißt selbst genau, daß das nicht gut ist. Aber eines Tages wirst du in den Shathan gehen.«
In den dunklen jungen Augen brannte das Fieber. Die Menschen Shathans waren klein gewachsen, und in ihrem Kreis würde Sin nie zu den Großen gehören, doch in ihm brannte ein Feuer, das schon an seiner Kindheit zehrte. »Ich werde dich dann dort finden.«
»Ich glaube es nicht«, antwortete Vanye, und tiefe Trauer erschien in Sins Blick, und urplötzlich stach Vanye ein Schmerz bis ins Herz.
Für ihn wird Shathan nicht das sein, was es heute ist,
dachte er.
Wir werden losziehen und die Tore vernichten; und damit werden wir seine Hoffnung zerstören. Alles wird sich verändern, noch während er lebt – entweder unter den Händen unserer Feinde, oder unter unseren Händen.
Er umfaßte Sins Schulter und gab ihm die Hand.
Er blickte nicht zurück.
Sie waren nicht leise genug für das Dorf; trotz ihres Wunsches, schnell und unbemerkt aufzubrechen, führte kein Weg an den Mirrindim vorbei, die sich von ihren Lagern erhoben, um sie zu verabschieden; oder an Sezars Mutter, die dampfendes Brot brachte – sie war schon sehr früh aufgestanden und hatte für sie gebacken; ebenso erschien Sezars Vater, der ihnen für die Reise von seinem besten Fruchtwein anbot; und die Brüder und Schwester, die auf der Straße auftauchten, um Sezar zuzuwinken. Sie lachten leise, als Lellin der Schwester einen Kuß auf die Wange gab, sie in die Höhe hob und wieder absetzte, denn obwohl sie eine ausgereifte Frau war, wirkte sie neben dem
qhal
zwergenhaft klein. Sie lachte über den Kuß, senkte aber scheu den Blick und schaute wieder empor und ihr Herz stand in diesem Blick.
Dann stiegen sie auf und ritten leise zwischen den Bäumen hindurch, vorbei an Wächtern, die kaum mehr als Schatten im Laub waren. Blätter schirmten sie von Carrhend ab, und nach kurzer Zeit hörten sie nur noch die Laute des Waldes ringsum.
Sezar war bedrückt, und Lellin musterte ihn stirnrunzelnd und besorgt. Es war klar, was er dachte, denn Sezar und vielleicht auch Lellin wären bestimmt gern geblieben, um Carrhend zu beschützen, und die Pflicht, die sie fortrief, lastete in diesen Minuten schwer auf ihnen.
Dann ließ Lellin ein leises Pfeifen ertönen – und gleich darauf war eine lange, friedliche Antwort zu hören. Und das munterte Sezar etwas auf, und allen war um seinetwillen etwas wohler.
6
Sie hielten sich eine Zeitlang an den Fluß und kamen gut voran. Die Pferde, die sich die beiden
arrhendim
zugelegt hatten – beides waren kastanienbraune Tiere, und Lellins hatte drei weiße Fesseln – hielten sich von Siptah fern, so daß Lellin und Sezar im allgemeinen ein Stück vorausritten.
Die beiden unterhielten sich zuweilen leise miteinander, Gespräche, die die Nachfolgenden nicht verstehen konnten, doch sie dachten sich nichts dabei und sprachen selbst unter vier Augen miteinander, allerdings gewöhnlich in der
qhalur-
Sprache. In der langen Zeit, die Vanye Morgaine nun schon kannte, hatte sie nie zur Gesprächigkeit geneigt – erst seit sie in dieses Land gekommen waren, hatte sie sich öfter zu Wort gemeldet – zuerst um ihm die Sprache beizubringen, wobei sie ihn oft berichtigte. Dann schien sie es sich angewöhnt zu haben, mehr zu reden als früher. Er war froh darüber, und obwohl sie nie von sich selbst erzählte, soweit es die Zeit vor Andur-Kursh betraf, fing er immer wieder von zu Hause an und von den schönen Augenblicken seiner Jugend in Morija.
Inzwischen vermochten sie über Andur-Kursh zu sprechen, so wie man sich schließlich dazu überwindet, von einem Toten zu sprechen, wenn der erste Schmerz abgeklungen ist. Er kannte das Zeitalter, in dem er lebte; sie kannte die Zeit hundert Jahre vor seiner Geburt, und so schlimm einige der Geschichten auch sein mochten, die da erzählt wurden, brachten sie doch eine Art Freude. Sie war eine Wanderin durch die Zeiten; und inzwischen war er, was sie war, und sie konnten offen darüber sprechen.
Aber als sie Myya Seijane i Myya erwähnt hatte, Klan-Lord der Myya zu einer Zeit, da sie die Armeen von Andur-Kursh befehligt hatte, bewölkte sich ihre Stirn, und sie verstummte, von Erinnerungen heimgesucht – denn das war einer der Augenblicke, da das, was jetzt in
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