Morgaine 3 - Die Feuer von Azeroth
dem Sumpfland, der mit Vanyes Muttersprache nicht mehr viel zu tun hatte und überfrachtet war mit Lehnworten aus der
qhalur-
Sprache – außerdem hatte er die Hiua-Sprache von einer jungen Frau gelernt, die einen vornehmeren Dialekt sprach. Einiges konnte er sich allerdings zusammenreimen.
Er war aufgebracht. Auf vage Weise erstaunte ihn diese Tatsache aus den Fernen, in die sich sein Denken zurückgezogen hatte – der Umstand, daß er eher Zorn als Entsetzen empfand. Er war nie ein mutiger Mann gewesen. All die Kümmernisse seines Lebens waren darauf zurückzuführen, daß er von zu Hause und von seiner Feste und seiner Ehre getrennt worden war, weil er sich den Schmerz zu lebhaft vorstellen und die langsame Folter durch seine Familie nicht länger ertragen konnte – der Kummer eines Jungen: damals war er zu verwundbar gewesen, er hatte sie mehr geliebt, als ihm bewußt war.
Diese Männer aber liebte er nicht, diese Überreste von Hiuajs Bergbewohnern, die heruntergekommenen Myya. Er schäumte vor Wut darüber, daß er von allen seinen Feinden ausgerechnet in die Hände dieser Männer gefallen war, in die Gewalt Fwars, dessen wertloses Leben er geschont hatte, da er zu sehr
Nhi
gewesen war, um einen niedergerungenen Feind umzubringen. Jetzt wurde ihm die Rechnung für diese Gnade präsentiert. Das böse Lachen und die widerwärtigen Anspielungen der Männer galten natürlich auch Morgaine, und er mußte die Beschimpfungen und die Tritte in seinen Unterleib hinnehmen, und er hegte die Hoffnung, daß sie voller Siegesgewißheit irgendwann den Fehler machen würden, seine Hände loszubinden, während Fwar in der Nähe war.
Aber sie taten es nicht. Dazu kannten sie ihn zu gut. Sie fanden eine Möglichkeit, ihn von seiner Rüstung zu trennen, ohne ihm die Fesseln abzunehmen: sie legten eine Schlinge um seine Fußgelenke und hängten ihn wie ein geschlachtetes Reh mit dem Kopf nach unten an einen Ast. Dieses Spiel bereitete ihnen großes Vergnügen, stießen sie ihn doch heftig hin und her, während ihm das Blut im Kopf wummerte und er einer Ohnmacht nahe war. In dieser Stellung war es für sie ein Leichtes, ihm die Handfesseln abzunehmen und seine Rüstung aufzuschnüren. Trotzdem griff er nach Trin, konnte ihn aber nicht festhalten. Die Peiniger schlugen zum Spaß mit Gerten auf ihn ein, bis das Blut seine Arme hinablief und den Sand unter ihm befleckte. Nach einiger Zeit schwanden ihm die Sinne.
Reiter, eine große Zahl. Er hörte das Dröhnen der Hufe, das sich mit dem Rauschen in seinen Ohren vereinigte. Körper rasten um ihn herum, begleitet von fauchendem Pferdeatem.
Weitere Gegner, die flußaufwärts unterwegs gewesen waren. Er erinnerte sich an Morgaine und versuchte, das Bewußtsein wiederzugewinnen, versuchte, sich die verschwommene Szene ringsum klar vor Augen zu holen, um zu erfahren, ob man sie gefunden hatte oder nicht. Alles stand auf dem Kopf, und die Pferde waren dunkle Schatten: Siptah war nicht darunter. Ein Reiter kam in seine Nähe. Er schimmerte von Kopf bis Fuß in einer metallenen Rüstung. Sein Haar war weiß.
Khal.
Ein
qhal
der Shiuan-Art. »Schneidet ihn los!« befahl der
khal-
Lord. Endlich wurde an dem Seil gesägt. Vanye versuchte die gefühllosen Arme zu heben, um seinen Kopf zu schützen, denn er wußte, daß er fallen würde. Aber Reiter in Rüstung verschränkten unter ihm die Arme und ließen ihn zu Boden gleiten. Als er merkte, daß sie ihm zu helfen versuchten, wehrte er sich nicht gegen ihren Griff und fiel relativ sanft in den Sand. Es waren nicht Fwars Leute; trotzdem waren sie nicht mehr seine Freunde als Fwars Gefolgschaft und wahrscheinlich noch grausamer; doch zunächst ging es ihnen offensichtlich darum, daß er am Leben blieb, ein Umstand, den er zu akzeptieren verstand. Vor den Hufen der Pferde lag er reglos im Sand, während sein Blut allmählich in die Beine zurückkehrte und sein Herz sich an diese Anstrengung zu gewöhnen versuchte. In seinen Ohren hallten die Verwünschungen, die der
khal-
Lord gegenüber den Menschen äußerte, die ihn beinahe umgebracht hätten.
Morgaine,
dachte er.
Was ist mit Morgaine?
Doch die Äußerungen gaben ihm keinen Hinweis.
»Reitet weiter!« sagte der Lord zu Fwar und seinen Cousins. »Er gehört uns.«
In Shiuan wie in Fwar waren die
qhal
die mächtigeren – und so kam es, daß Fwar und seine Männer schließlich in die Sättel stiegen und fortritten, ohne eine Drohung auszustoßen oder einen Racheschwur zu tun – und bei
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