Morgaine 3 - Die Feuer von Azeroth
einem Bergbewohner und Myya war dies ein sicheres Zeichen, daß man mit einem Angriff aus dem Hinterhalt zu rechnen hatte.
Vanye stemmte sich mühsam auf die Ellbogen hoch, um den Männern nachzublicken, doch er bekam nur Pferdebeine und einige
khal
zu Gesicht, die abgestiegen waren, mit Schuppenrüstungen bewehrt, Helme auf dem Kopf, die ihnen das Aussehen von Dämonen gaben – alle trugen Helme bis auf den Lord, der auf dem Pferd geblieben war und dessen weißes Haar im Winde flatterte. Es war ein Shiua-Lord, den er nicht kannte.
Die Bewaffneten zerschnitten die Fesseln an seinen Fußgelenken und versuchten ihn auf die Beine zu stellen. Er schüttelte den Kopf. »Das Knie... ich kann nicht gehen«, sagte er heiser und in ihrer Sprache – in der
qhalur-
Sprache.
Das überraschte sie. In Shiuan verstanden die Menschen die Sprache ihrer Herren nicht, während die
khal
den Dialekt der Menschen beherrschten; daß sie Shiua waren, wurde ihm in Erinnerung gebracht, als einer der Soldaten ihm wegen seiner Unverschämtheit einen Schlag ins Gesicht versetzte.
»Er wird reiten«, sagte der Lord. »Alarrh, dein Pferd wird diesen Menschen tragen. Sammelt ein, was hier verstreut ist; die Menschen haben wahrlich keinen Ordnungssinn. Sie hätten das alles so liegenlassen, eine gute Gelegenheit für den Feind, sich ein Bild von den Geschehnissen zu machen. Du... « zum erstenmal richtete er das Wort direkt an Vanye, und Vanye blickte mürrisch zu ihm empor. »Du bist Nhi Vanye i Chya.«
Er nickte.
»Das bedeutet wohl Zustimmung.«
»Ja.« Der
khal
bediente sich der Menschensprache, während Vanye erneut in
qhalur
antwortete. Auf dem zarten, bleichen Gesicht des Lords zeigte sich Ärger.
»Ich bin Shien Nhinns Sohn, Prinz von Sotharrn. Der Rest meiner Streitmacht ist auf der Jagd nach deiner Herrin. Der Pfeil, der sie traf, war das einzige, wofür wir dem Hiua-Vieh zu danken haben, dennoch ein unangenehmes Schicksal für einen hochgeborenen
khal.
Wir wollen versuchen, die Tat abzurunden. Und du, Vanye, von den Chya – du sollst in unserem Lager willkommen sein. Lord Hetharu ist von dem Wunsch verzehrt, dich wiederzufinden – sein Begehren nach deiner Lady ist noch größer, daran sollten wir keine Zweifel haben, aber du wirst feststellen, daß er sich sehr freut, dich wiederzusehen.«
»Das bezweifle ich nicht«, murmelte Vanye und leistete keinen Widerstand, als man ihm die Hände fesselte und ein Pferd für ihn brachte und ihn aufrecht in den Sattel hob. Der Schmerz seiner Wunden raubte ihm beinahe das Bewußtsein; als das Pferd scheute, schwankte er haltlos, und die Shiua begannen sich heftig zu streiten, wer sich die Hände schmutzig machen sollte in dem Bemühen, ihn im Sattel zu halten, blutüberströmt und halbnackt – und vor allem ein Mensch. »Ich bin Kurshin«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Solange das Pferd unter mir ist, falle ich nicht aus dem Sattel. Ich dulde die Hände eines
khal
nicht!«
Darauf reagierten die
khal
mit mürrischen Worten und drohten an, ihm zu zeigen, welche Bedeutung er für sie hätte; doch Shien befahl ihnen aufzusitzen. Sie ritten das sandige Ufer hinab und legten dabei eine Geschwindigkeit vor, die ihn schmerzhaft durchschüttelte – vermutlich eher aus Boshaftigkeit als einer Eile folgend. Nach einer Weile verzichteten sie darauf, und Vanye neigte den Kopf und gab sich erschöpft den Bewegungen des Pferdes hin. Er nahm sich erst zusammen, als sie den Narn durchritten und die weite Ebene Azeroths sich vor der Gruppe auftat.
Nun erstreckte sich nur noch Gras unter den Hufen des Pferdes, und sie kamen schnell und mühelos voran. Er war am Leben: allein das zählte in diesem Augenblick. Er unterdrückte seinen Zorn und behielt den Kopf unten, wie seine Bewacher es von einem Mann erwarteten, der in Ehrfurcht vor ihrem hohen Stande lebte. Sicher rechneten sie nicht mit Problemen von seiner Seite, diese Wesen, die ihre eigenen Bediensteten mit Gesichtsmalen kennzeichneten, um sie von anderen Menschen zu unterscheiden – für sie stand ein Mensch kaum über der Entwicklungsstufe von Tieren.
Es war nicht untypisch für sie, daß sie sich während der ersten Rast daran machten, sein Knie zu schienen; sie versorgten ihn mit derselben Nüchternheit, die sie auch gegenüber einem lahmen Pferd aufgebracht hätten; sie behandelten ihn nicht sanfter und auch nicht rücksichtsloser als ein Tier; doch niemand wollte ihm zu trinken geben, weil das zur Folge gehabt hätte, daß
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