Morgaine 3 - Die Feuer von Azeroth
Merir, denn er hätte einen Sitz wie Merir verlangen oder stehenbleiben können.
»Lord Merir«, sagte Roh, »Sind wir frei oder nicht?«
»Das ist die Frage, nicht wahr?« Merirs Augen richteten sich auf Vanye. »Dein Cousin. Und doch hast du uns vor ihm gewarnt.«
»Ich bitte dich, mein Lord... «
»Chya Roh!« In Merirs Augen blitzte es. »Schändlichkeiten hast du gegen uns begangen. Morde sind verübt worden. Und wie oft hast du so gehandelt?«
Roh schwieg.
»Lord«, sagte Vanye. »Er hat eine andere Hälfte in sich. Du solltest es bedenken.«
»Das ist zu berücksichtigen – denn er ist das Böse und sein Opfer zugleich. Ich weiß aber nicht, was ich davon vor mir sehe.«
»Tu ihm nichts!«
»Nein«, sagte Merir. »Dieser Schade frißt von innen an ihm.« Und Merir zog seinen Mantel enger um sich und starrte mürrisch ins Leere. »Bringt sie fort!« sagte er schließlich. »Ich muß über diese Dinge nachdenken. Bringt sie fort und versorgt sie gut!«
Hände berührten sie, nicht ohne Rücksicht. Vanye versuchte sich aufzurichten, hatte aber nicht mehr die Kraft dazu; ein Bein war steif geworden und das andere trug ihn kaum noch.
Arrhendim
halfen ihm, einer auf jeder Seite, und so wurden sie in ein benachbartes Zelt geführt, wo weiche Felle sie erwarteten, die noch von anderen Körpern angewärmt waren. Hier wurden sie ungefesselt allein gelassen; sie hätten fliehen können, wenn sie Kraft dazu besessen hätten. Sie blieben liegen, wo man sie hatte zu Boden gleiten lassen, und schliefen.
Der Tag zog herauf. Im Eingang des Zeltes zeichnete sich ein Schatten vor dem Tageslicht ab. Vanye blinzelte. Der Schatten wurde kleiner, entpuppte sich als Sin, der am Boden hockte, die nackten Arme vor den nackten Knien verschränkt, geduldig wartend.
In der Nähe atmete jemand. Vanye wandte den Kopf und erblickte einen jungen
qhal
mit langem weißen Haar und klaren grauen Augen, die in diesem Kindergesicht seltsam anmuteten. Lange, zarte Finger stützten das Kinn.
»Ich glaube nicht, daß ihr hier sein dürftet«, flüsterte Vanye Sin zu.
»Wir haben Erlaubnis«, sagte das
qhalur
-Kind mit der Selbstsicherheit, die auch die Älteren seiner Rasse auszeichnete.
Roh wälzte sich herum, fuhr hoch und griff nach Waffen, die nicht vorhanden waren. »Still!« sagte Vanye. »Schon gut, Roh! Bei solchen Wächtern kann uns nichts passieren.«
Vanye stützte den Kopf in die Hände und atmete langsam ein.
»Es gibt zu essen«, sagte Sin munter.
Vanye ließ sich herumrollen und sah, daß alle möglichen Dinge bereitstanden – Wasser zum Waschen, Kleidung, ein Tablett mit Brot, dazu ein Krug und Becher. Sin kroch näher, setzte sich daneben nieder, schenkte mit ernstem Gesicht schäumende Milch in einen Becher und reichte ihn ihm – bot auch Roh zu trinken an, als dieser die Hand danach ausstreckte. Sie frühstückten Butter und Brot und reichlich Ziegenmilch – die beste Mahlzeit seit vielen Tagen.
»Er heißt Ellur«, sagte Sin, und deutete auf seinen
qhalur-
Freund, der sich mit untergeschlagenen Beinen neben ihm niederließ. »Ich glaube, ich werde sein
khemeis
sein.«
Ernst neigte Ellur den Kopf.
»Geht es dir gut?« fragte Sin und berührte vorsichtig das geschiente Bein.
»Ja. Es heilt langsam. Ich kann das bald abnehmen.«
»Dies ist dein Bruder?«
»Cousin«, sagte Roh. »Chya Roh i Chya, junger Herr.«
Respektvoll wie Erwachsene neigten sie den Kopf.
»Khemeis
Vanye«, sagte Ellur, »stimmt, was wir haben erzählen hören, daß euch viele Männer gefolgt sind und gegen Shathan kämpfen wollen?«
»Ja«, antwortete er, denn es hatte keinen Sinn, solchen Kindern etwas vorzulügen.
»Ellur hat gehört«, sagte Sin, »Lellin und Sezar – würden vermißt, und die Lady wäre verwundet worden.«
»Ja.«
Die beiden Jungen schwiegen einen Augenblick lang mit bestürzten Mienen. »Und«, fuhr Ellur fort, »daß es, wenn man euch freiließe, keine
arrhendim
mehr geben würde, wenn wir erwachsen sind.«
Vanye vermochte den Blick nicht abzuwenden. Er schaute in die Augen dieser beiden, dunkle Menschenaugen und graue
qhal-
Augen, und er spürte einen Knoten im Magen, als sei er dort tödlich verwundet worden. »Das könnte stimmen. Aber es wäre nicht mein Wunsch. So etwas habe ich nicht gewollt.«
Es trat ein langes Schweigen ein. Sin kaute so heftig auf seiner Unterlippe herum, daß Vanye schon fürchtete, er würde sich eine blutige Wunde beißen. Schließlich nickte er. »Ja. Herr.«
»Er ist sehr
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