Morgaine 3 - Die Feuer von Azeroth
wurde. »Laß die Schiene fort«, sagte sie und legte Vanye die Hand auf die Stirn, drückte sein Gesicht schließlich zwischen ihre Hände und zwang ihn, sie anzusehen. Wie eine Königin kam sie ihm vor in ihrer greisen Anmut, und ihre grauen Augen blickten überraschend freundlich. »Du hast Fieber, Kind.«
Vor Überraschung hätte er beinahe gelacht: daß sie ihn ›Kind‹ nannte! Aber
qhal
lebten lange, und wenn er in die alten Augen blickte, die voller Frieden waren, sagte er sich, daß aus ihrer Sicht die meisten Menschen tatsächlich Kinder waren. Gleich darauf ging sie, und Roh raffte sich auf und starrte seltsam beunruhigt hinter ihr her.
Sie ist von seiner Art,
dachte Vanye, und seine Haut kribbelte.
Von Liells Art... die alte Rasse,
Plötzlich hatte er Angst um Roh und wünschte, er könnte diesen Ort möglichst schnell verlassen.
»Wir sind fertig«, sagte Nthien. »Hier. Wir haben euch beiden saubere Kleidung besorgt.«
Die
khemi
hielten die Sachen hoch – weiche, widerstandsfähige Kleidung, wie die
arrhendim
sie trugen, grün und braun und grau, mit Stiefeln und solide gearbeiteten Gürteln. Die beiden Männer zogen sich an, und von dem sauberen Stoff auf der Haut ging bereits ein heilender Einfluß aus, wurde doch auch ein Quantum Stolz wiedergewonnen.
Schließlich öffneten die
arrhendim
die Zeltplane und führten sie vor Arrhel.
Arrhel stand an einem Tisch mit drei Füßen, der zuvor nicht da gewesen war. Sie rührte in einem Becher herum, den sie in die Höhe hob und Vanye anbot. »Gegen das Fieber. Das Gebräu ist bitter, aber es wird dir helfen.« Sie reichte ihm ein kleines Lederbehältnis. »Hier ist noch mehr davon. Einmal täglich, solange das Fieber dauert. Du trinkst es mit Wasser verdünnt, und zwar soviel, wie du in der Mitte deiner Handfläche halten kannst. Und du mußt viel schlafen und darfst nicht reiten und über deinen Wunden auch keine Rüstung tragen; und du mußt gesund und ausreichend essen. Aber wie es aussieht, wird das alles schwer einzuhalten sein. Der Vorrat ist für deine Reise bestimmt.«
»Reise, Lady?«
»Trink den Becher aus!«
Er gehorchte; der Trank schmeckte bitter, wie angekündigt, und als er das Gefäß zurückreichte, verzog er das Gesicht. Unruhe bewegte sein Herz. »Eine Reise zu dem Ziel, um das ich Lord Merir gebeten habe, oder fort davon?«
»Er wird es dir sagen. Ich fürchte, ich weiß es nicht. Vielleicht hängt alles von dem ab, was du ihm sagst.« Sie nahm seine Hand zwischen ihre Hände, und ihr Fleisch fühlte sich weich und warm an, die Berührung einer alten Frau. Die grauen Augen starrten in die seinen, so daß er den Blick nicht abzuwenden vermochte.
Dann ließ sie ihn los und drehte sich um. Sie nahm auf ihrem Stuhl Platz. Den Becher stellte sie auf das Tischchen neben sich und wandte sich an Roh. »Komm!« sagte sie; und er gehorchte. Er kniete nieder, als sie mit offener Hand auf eine Stelle neben sich deutete – obwohl er Lord eines Klans war, tat er dies – und sie beugte sich vor, nahm sein Gesicht zwischen die Hände und starrte ihm in die Augen. Lange, sehr lange dauerte ihr Blick, und Roh konnte es schließlich nicht länger ertragen und senkte die Lider.
Schließlich legte sie kurz die Lippen auf seine Stirn, ließ ihn aber noch nicht los. »Für dich«, flüsterte sie, »habe ich keinen Trank. Meine Hände können keine Heilung bewirken. Ich wünschte, sie könnten es.«
Ihre Hände fielen herab. Roh federte zurück und richtete sich auf und prallte dabei gegen die warnend erhobene Hand des
khemeis,
der den Ausgang bewachte. Er erstarrte.
Vanye schaute kurz auf Arrhel zurück, erinnerte sich des Gebots der Höflichkeit und machte eine Verbeugung; doch als die Lady sie gehen hieß, beeilte er sich, Roh von jenem Ort fortzuführen. Roh schaute nicht zurück und sagte auch kein Wort, er schwieg noch lange Zeit, auch als sie bereits in ihr Zelt zurückgekehrt waren.
Merir ließ sie am Nachmittag holen, und sie kamen seiner Aufforderung nach, geleitet von denselben
arrhendim.
Der alte Lord hatte sich in seinen Federmantel gehüllt und trug auf der Stirn den Goldreif; bewaffnete Menschen und
qhal
umringten ihn.
Roh verbeugte sich vor Merir und setzte sich auf die Matte. Vanye kniete nieder und bezeigte dem
qhal
seine Ehrerbietung. Dann ließ er sich so nieder, daß das verwundete Bein möglichst wenig belastet wurde. Merirs Gesicht wirkte ernst und streng, und er gab sich lange Zeit damit zufrieden, die beiden Fremden
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