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Morgen des Zorns

Morgen des Zorns

Titel: Morgen des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Douaihy
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schleuderten, die ihrer Meinung nach zu zögerlich waren oder an dem »Vorhaben« zweifelten. Auch klagten sie darüber, dass niemand von den anderen Familien sie liebte, dass sie »naiv« seien und mit den anderen zusammen spontan ihre Großzügigkeit unter Beweis stellten, ohne auch nur ein einziges Wort des Dankes zu erhalten.
    Unter ihnen taten sich eloquente Sprecher hervor, Halbgebildete, die behaupteten, Kenntnisse über die Vergangenheit und über Bücher zu besitzen. Sie fabrizierten für ihre Familie eine weit in die Vergangenheit reichende mündliche Geschichte, die nur sie in Umlauf brachten und weitertrugen und in denen ihr Vorrang, ihre Autorität und ihr Besitzanspruch auf einen bestimmten Flecken Erde bestätigt wurden. Als wären sie nicht von überall auf der Welt erst hierhergekommen. Und wenn sie diesbezüglich zu Zugeständnissen bereit waren, dann akzeptierten sie höchstens, dass sie von einer französischen Familie abstammten, die in Begleitung der Kreuzzügler in den Orient gekommen war; eine Geschichte, die ihren Vorfahren Heldentaten aus einer Vergangenheit zuschrieb, in der sie mit den Emiren der Schehabiten ein Bündnis eingegangen waren, die Jakobiten aus der Nachbarschaft ihrer Dörfer vertrieben oder die Glocke in islamischen Dörfern hatten schlagen lassen, die noch nie vorher einen Glockenschlag vernommen hatten. Manche von ihnen stellten auch fest, dass ihre Vorfahren die Vorsteher des Dorfes gewesen waren, welches man ihnen im achtzehnten Jahrhundert durch einen Trick abgeluchst hatte, und dass nun, in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, die Zeit gekommen sei, es sich zurückzuholen.
    Ein Richter und Mann der Schrift machte sich daran, in einer ganzen Sammlung von Büchern ihre Abstammung und ihre Verwandtschaftsbeziehungen aufzuzeichnen, die sie untereinander gewoben hatten. Bei allem, was er niederschrieb, ließ er große Umsicht walten, um niemanden in seiner Abstammung zu verletzen, was unliebsame Folgen nach sich ziehen würde. Und so führte er sie Familie für Familie und Dschubb für Dschubb zur edelsten Abstammung zurück, die sie für sich erhofften, und erzählte ihnen über ihre Heldentaten, was sie zu hören wünschten, keine Schandtat und kein Verrat fanden hier Erwähnung, stattdessen eine ununterbrochene Familiengeschichte voller Überlegenheit und Mut.
    Sie entdeckten oder erinnerten sich bei den anderen Familien an alte Verworfenheiten, wie etwa ihren großen Geiz, die leichte Käuflichkeit ihrer Wählerstimmen oder die schwierige Nachbarschaft mit ihnen, sei es beim Wohnen, besonders aber bei den Gärten, weil sie nicht davor zurückschreckten, anderer Leute Besitz zu überfallen, zu pflügen, zu bestellen und von den Früchten zu essen, wenn sie niemand daran hinderte. Oder sie stellten fest, wie nachgiebig und leichtfertig sich die Frauen dieser konkurrierenden Familien gegenüber Männern benahmen, oder dass sie nicht im Dorf »verwurzelt« waren, und dass, wenn man ihre Taten in der alten und neuen Geschichte einer Überprüfung unterziehe, man den besten Beweis für ihre zweifelhafte Abstammung finde, bis hin zu den verschiedenen Arten von Verrat und Hinterhältigkeit oder Feigheit, die sie den anderen anhängten. All dies legten sie in aller Ausführlichkeit in einem umfangreichen Buch dar und behaupteten, dass sie die Verbrechen ihrer Kontrahenten offenlegen würden, angefangen vom Viehdiebstahl und der Unterdrückung der Bewohner der benachbarten Ländereien mitten im Weltkrieg bis hin zu organisiertem Mord, dessen Verantwortung sie geschickt anderen zuschreiben würden. Sich selbst und ihren Verwandten aber bescheinigten sie Unerschrockenheit und die Gabe zur Herausforderung, während ihre angesehenen Persönlichkeiten über so hervorragende Eigenschaften verfügten wie Großzügigkeit und Mitgefühl mit den Armen und Bauern, Sorge um deren Ernten und den Zustand ihrer Kühe, die sie alle mit Namen kannten; zudem verfügten sie über politisches Geschick und wüssten um die Fakten und den Wandel der Standpunkte der Großmächte.
    Ihre Frauen legten indes noch größere Rachegelüste an den Tag. Zu Berühmtheit gelangten jene, die zu ihren Söhnen sagten: »Wer zögert, für seinen Bruder Rache zu nehmen, wird vom Erbe seines Vaters ausgeschlossen.« Oder jene, die, wenn ihr Mann durch die Kugeln der Soldaten fiel, ein weißes Laken über ihn warfen und seine Cousins dazu aufforderten, sich nicht um den Toten zu scheren, sondern weiterzukämpfen. Die

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