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Morgen des Zorns

Morgen des Zorns

Titel: Morgen des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Douaihy
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dieses Defizit auszugleichen, nächtens zum höher gelegenen Kino hinauf, um sich den Film dort anzusehen. Er wurde zwar von niemandem erkannt, kehrte aber wie einer zu uns zurück, der eine militärische Operation hinter feindlichen Linien durchgeführt hatte, zu deren Erfolg wir ihn beglückwünschen mussten.
Klassisches Roulette
    Es heißt, Glücksspiel und Frauen entblößen die wahre Natur des Mannes. Die Erklärung für diese Erkenntnis könnte sich in die Länge ziehen, doch sie verrät nicht, wie das Rommee-Spiel die wahre Natur von Madame Ilmâs entblößen konnte. Sie war eine der berühmtesten Frauen, die dem Kartenspiel verfallen waren. Sie forderte sogar die Männer heraus und trug durchaus Triumphe gegen sie davon, wenn sie bis in die frühen Morgenstunden dem Spiel frönte. Das Kartenspiel diente einigen wenigen Frauen als Beweis ihrer Zugehörigkeit zu einem engen Kreis von Personen, die Zugang zu den Häusern der Honoratioren hatten, und als Manifestation ihrer Befreiung von der Hausarbeit und den damit einhergehenden Sorgen. Zu den geschätzten Eigenschaften eines jungen Mannes, der um die Hand eines Mädchens anhielt, gehörte andererseits, dass er niemals ein Kartenspiel anrührte, war das Glücksspiel doch der schnellste Weg zur »Zerstörung der Familie« …
    Neben dem Backgammon, bei dem man türkisch zählte, wurden durch die neuen Kartenspiele und das Roulette zahlreiche neue französische Begriffe eingeführt, die noch bereichert wurden durch die Pferderennen und die Rennwetten. Manche Leute waren auf Paroli oder auf Buchmacher spezialisiert, die sich außerhalb der offiziellen Wetten bewegten, was Verlust und Gewinn um ein Vielfaches erhöhte. Einige bestachen Reiter und Pferdeknechte, damit die Pferde langsamer liefen. Neben dem Glücksspiel – und neben bedeutet hier, in der Nähe der Poker- und Baccarattische – betrieben manche auch die sogenannte Methode der »Zinsschulden«. Sie trugen eine große Menge Geld bei sich, welches sie Spielern, die gerade verloren hatten, gegen enorm hohe Zinsen liehen, auf dass sie unverzüglich ihre Schulden begleichen und ihr Spiel fortsetzen konnten. Als Gegenleistung forderten sie entweder Schuldscheine vom Schuldner, oder sie schossen ihnen das Geld einfach vor, weil man sich kannte und darauf vertraute, dass der Revolver, den man an der Hüfte trug, die Rückzahlung der Schulden inklusive Zinsen garantierte. Und weil sie sich in der Umgebung des Casino du Liban herumdrückten, wo sie auf einen Kunden warteten, der danach gierte, sein Spiel am klassischen Roulettetisch fortzusetzen, lernten sie eine Spezies von Menschen kennen, mit der sie sonst kaum Kontakt gehabt hätten: Söhne reicher Familien aus Beirut oder Aleppo, die das Erbe ihrer Väter verschleuderten und ihre Bankkonten plünderten, welche mit Gewinnen aus einem frühzeitig begonnenen Handel mit Medikamenten, Haushaltsgegenständen oder Automobilen aufgefüllt waren; oder Gestalten aus der Zunft der Zeitungsschreiber, Dichter oder Maler, die Nacht für Nacht eine dramatische Begegnung mit den Spielautomaten oder mit der »Null« beim Roulette hatten.
Der europäische Hund
    Es wird erzählt, in der Zeit des Zweiten Weltkriegs sei ein englischer Soldat in der Region des oberen Harîk, in deren Nähe die Engländer ein Lager aufgeschlagen hatten, zufällig einem Wächter der für ihr Öl und ihre rote Erde berühmten Olivenhaine begegnet, der so lange auf ein armes bockiges Pferd einprügelte, bis das Blut zu strömen begann. Da sei der Soldat dem Pferd durch einen Schuss in den Kopf zu Hilfe gekommen und habe daraufhin mit seiner Riesenpranke dem Wächter einen solchen Schlag ins Gesicht versetzt, dass er zu Boden fiel. Dann habe der Soldat ihn halb ohnmächtig neben dem toten Tier liegen gelassen, ohne dass der arme Mann gewusst hätte, welche Sünde er begangen hatte. Es heißt, der englische Soldat habe mit seiner Tat dem Pferd die Qual ersparen wollen, welche es durch die Hand seines »barbarischen« Besitzers erlitten hatte. So zumindest erklärte man sich bei uns die Tat des Soldaten, der während der ganzen Aktion kein einziges Wort von sich gegeben hatte.
    Sollte dies der Wahrheit entsprechen, dann war die Lektion freilich umsonst. Wir schlugen die Esel auch künftig mit der Gerte aus Maulbeerbaumholz, um sie anzutreiben; wir hielten den Maultieren Feuer unter den Schwanz, wenn sie strauchelten; oder wir bissen ihnen ins Ohr, damit sie aufstünden. Wir schossen auf die Zugvögel,

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