Morgen des Zorns
vereinbart, ihr nur dann eine Nachricht zukommen zu lassen, wenn ihr Mann drauf und dran war, seine Familie zum Gespött zu machen. Und so geschah es. Er ließ sie wissen, dass ihr Mann gewillt sei, am Sonntag in Abra eine Ehe einzugehen. Inmitten der Jubeltriller fuhr sie vor. Sie stieg aus einem Taxi und ging direkt auf ihn zu. »Komm mit nach Hause!«, sagte sie in befehlendem Ton. Der Braut aber warf sie nur einen missbilligenden Blick zu und fragte: »Hast du ihn denn wenigstens ausprobiert?«
Die Inbesitznahme der Kirche und des Friedhofs!
Der Priester und der Gemeinderat der Ortschaft Kafr Baida haben den brillanten Rechtsanwalt Nassîb al-Saudâ damit beauftragt, beim Strafgericht des Nordens gegen den hier F. R. genannten Verdächtigen Klage einzureichen, nachdem erwiesen ist, dass letzterer jene Unterlagen gefälscht oder sich zumindest an der Fälschung beteiligt hat, die ihn als Eigentümer zweier Grundstücke ausweisen, jenes, auf dem die Kirche des Dorfes, Sankt Josef der Erscheinung, steht, sowie das des hinter der Kirche liegenden Ortsfriedhofs, wo seit Hunderten von Jahren die Leichname der Bewohner bestattet werden. Weiterhin wurde bekanntgegeben, dass der Angeklagte sich derzeit außerhalb des Libanon aufhält und dass das Gericht ihn dazu aufgefordert habe, unverzüglich vorstellig zu werden.
(»Al-Nafîr«, 12. September 1961)
Als hinge sein ganzes Leben an einem dünnen Glücksfaden. Im Jahr 1956 hätte er beinahe das große Los beim libanesischen Nationallotto gezogen, das speziell an Silvester gespielt wurde. Ihm fehlte nur eine einzige richtige Zahl. Er wusste um das Gerücht, dass die Lotto-Verantwortlichen die Ergebnisse fälschten und diese im Vorfeld zugunsten ihrer Verwandten und von Leuten, mit denen sie sich den Gewinn teilen wollten, festlegten. Diiiiiebe, sagte er, wobei er das I in die Länge zog und bekümmert den Kopf schüttelte wie ein Mann, der überzeugt davon ist, im Recht zu sein. Beim Roulettespiel, im Kasino im französischen Nizza, wo er sich als Gast eines jener großzügigen Reichen aufhielt, welche sich mit seinen Geschichten die Zeit vertrieben – auch wenn sie wussten, dass sie gelogen waren – und die von seiner Erfahrung im Verführen von Frauen profitierten, kam die metallene Kugel auf der 14 zu liegen. Alle um den Tisch Gescharten hatten geglaubt, es werde die 13 sein, auf die er alles gesetzt hatte, was er besaß. Nur um ihn um den großen Gewinn zu bringen, war sie weitergesprungen.
– Diese Mafia, die haben einen Magneten unter dem Roulettetisch angebracht, mit der sie die Kugel manipulieren. Es ist mir einfach nicht beschieden, meine Ruhe zu finden …
Damit meinte er, genügend Geld zusammenzubringen, um sich irgendwo niederzulassen. In Caracas, in Venezuela, beim Hunderennen, war es gleich der Kugel das Schicksal eines Tieres, auf das er gesetzt hatte. Der Hund hatte den Kopf vorne beim Rennen, lief seinen Konkurrenten weit voraus, und plötzlich blieb er stehen, blickte sich aus einem für niemanden nachvollziehbaren Grund um, auf den letzten Metern, als habe er Sehnsucht nach seinen Mitläufern und wolle sich nicht allzu weit von ihnen entfernen. Dann steckte er die Schnauze in den Sand, um darin zu wühlen, und die anderen Hunde überholten ihn, so dass er schließlich auf dem letzten Platz landete.
– Wer setzt schon auf einen Hund?
Diese Frage stellte er sich selbst. Und beim Pferderennen in Beirut verlor er nur wegen der Entscheidung auf Basis der Nahaufnahmen.
– Bei Gott, der Jockey hat das Pferd gezügelt, das habe ich mit eigenen Augen gesehen.
Und weil er eines Morgens auf seinem Weg zum Einwohnermeldeamt der Einladung eines Freundes auf eine Tasse Kaffee nachgekommen war, kam er lediglich eine viertel Stunde zu spät, um den Handel seines Lebens abzuschließen, nämlich über ein Stück Boden in der Region Tall in Tripolis, das ihn und den Sohn seines Sohnes reich gemacht hätte. In seinem ganzen Leben konnte er von keinem einzigen Erfolg berichten. Er war wie die Glücksspieler, die über nichts anderes sprechen als über ihre Pechsträhnen. Das Glücksspiel ist ein Verlust. Und trotzdem lebte er wie ein Prinz, vornehm, elegant, eine breite Goldkette um den Hals und eine wertvolle Golduhr am Handgelenk; zudem suchte er häufig den Zahnarzt auf und widmete sich der Pflege seiner Fingernägel. Und er gehörte zu den ersten, die, aus Angst vor einer vererbten Neigung zum frühzeitigen Ergrauen, ihre Haare färbten, zudem fürchtete
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