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Morgen des Zorns

Morgen des Zorns

Titel: Morgen des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Douaihy
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dem Tisch aufgereihten Teller, der essenden Gäste, die er bediente und immer wieder aufforderte, die liebevoll auf dem Tisch verteilten unterschiedlichen Gerichte zu kosten. Und bei jedem Abendessen, selbst im Restaurant, brachte er persönlich etwas mit, »Schanklisch-Käse« aus Rahba, das, wie er wusste, für dessen Herstellung berühmt war, oder Frühlingszwiebeln, die er von einem Verkäufer erwarb, welcher sie hinter seinem Haus anpflanzte und mit sauberem Wasser goss. Er scherte sich nicht darum, was im Ort geschah. Wenn er jedoch gezwungen war, seine Meinung zu äußern, dann erklärte er, er habe alle gern und sei mit allen befreundet, und da das Leben nur kurz währe, müsse man die Tage nutzen. Nur eines konnte seinen Genuss trüben: die tägliche Erinnerung an das Ungestüm seines Bruders Farîd und an dessen Leidenschaft für Provokationen und Waffen. Stets rechnete er mit der Nachricht von dessen Tod, bis sie ihn schließlich erreichte, als er zwischen den Ortschaften des Mont Liban umherzog. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Er habe die Nachricht seit langem erwartet, sagte er und fragte, ob Farîd gelitten habe. Als man ihm mitteilte, dieser sei sofort tot gewesen, tröstete ihn das ein wenig, und er kehrte zu seiner Familie zurück. Die Ermordung seines Bruders Farîd bedeutete eine Niederlage für sein Leben. Man forderte ihn auf, sich an der Blutrache zu beteiligen, und so zog er mit seinen Verwandten los, um Straßensperren zu errichten oder Fallen aufzustellen, doch beides ohne Erfolg. Von nun an trug er einen Revolver an der Hüfte. Er rechtfertigte dies mit den Worten, dass er »betroffen« sei, was so viel heißen sollte wie: Er sei durch die Ermordung seines Bruders von einer Katastrophe heimgesucht worden. Dass er den Revolver trug, war nur das Zeichen dafür, dass er das Prinzip der Blutrache anerkannt hatte, selbst wenn er nicht einen einzigen der von dieser vorgezeichneten Wege einschlug. Etwa einen Monat lang nahm er Abstand von seinen Freunden …, dann kehrte er zurück. Stück für Stück nahm er sein früheres Leben wieder auf. Wer ihn näher kannte, verstand, dass er eigentlich nur die Frauen umschwärmte und dass die »Sitzungen« nichts weiter waren als ein Köder, um sie zu angeln. Er erzielte Erfolge, die er selbst nicht erwartet hatte, und trotz seines vorgerückten Alters machte er immer größere Eroberungen. Je älter er wurde, desto jünger wurde seine Beute unter dem lieblichen Geschlecht. Aber er hatte auch Fehler: Er zwinkerte seinen Freunden in Anwesenheit der Damen zu, um anzudeuten, dass er durchaus in der Lage sei, sie in seine Fänge zu locken. Auch machte er als Hinweis auf seine unbändige Potenz eindeutige Gesten und verzog dabei das Gesicht. Er wurde bekannt dafür, sich aufgeregt mit den Fäusten auf die Brust zu schlagen, um seinem dringenden Bedürfnis nach einem sexuellen Abenteuer Ausdruck zu verleihen – und wären nicht gerade seine Freunde anwesend – so eine weitere Bedeutung dieses Gebarens –, dann würde er dies auch tun. Auf die Lippen seiner Bekannten, vor denen er seine sexuellen Ambitionen zur Schau stellte, legte sich dann ein mildes Lächeln, hinter dem sich auch eine gewisse Nachsicht verbarg. Sie gaben vor, an seine Heldentaten zu glauben, bis er irgendwann selbst davon überzeugt war und ein Mädchen mit seinen Verführungskünsten in die Enge zu treiben begann. Zu Beginn vermeinte er auf eine gewisse Gegenliebe zu stoßen, doch während er sich voller Elan mit den Fäusten auf die Brust schlug, stellte ihm besagtes schöne und realistische Mädchen vom Lande eine letzte Bedingung: Bevor sie sich ihm hingebe, möge er sie heiraten. Er hatte sein Leben vor ihr geheim gehalten, während sie ihrerseits es verstanden hatte, ihn mit einem Instinkt anzulocken, über den selbst solche Frauen verfügen, die in der Schule kaum etwas gelernt haben. Sie kam ihm im falschen Spiel sogar zuvor. Sie überließ ihm ihre Hand, ließ ihn ihre Schenkel streicheln, um ganz unvermittelt in Tränen auszubrechen. Sie werde unterdrückt, weil die Männer nur ihre Unschuld ausnutzen wollten, klagte sie, und auch er wolle sie nur besitzen, um sie danach fallenzulassen. Aus Angst, sie zu verlieren, willigte er ein, die Ehe mit ihr zu schließen. Sogar seine Freunde hatten davon nichts wissen sollen. Doch weil das Mädchen plauderte, bekam auch der Spion von dem Vorhaben Wind, den seine Frau unter seine Freunde geschmuggelt hatte. Sie hatte mit diesem

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