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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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stand nur da und starrte ihn an, weil ich einfach nicht glauben konnte, dass so etwas Schönes mein war.
    Dann bekam das Boot erneut einen Schlag ab, der Wellengang war immer noch hoch. Der Wind hatte noch kein bisschen nachgelassen. Und so wusste ich, dass es Zeit war, ihn hier rauszubringen. Sanft hob ich ihn auf, er murrte ein wenig, schließlich wachte er auf. Seine goldspitzigen Wimpern flatterten über seinen dicken Wangen, dann öffneten sich die dunklen Augen. Ich hätte schwören können, dass er mich anlächelte, als wüsste er, dass ich seine Mutter war. Er war so warm und fest und roch so gut nach Milch. Er ließ sein Köpfchen schwer gegen meine Schulter fallen, und so atmete ich meinen noch halb schlafenden Sohn mit seinem flaumigen Haarbüschel ein. Ich vergrub mein Gesicht in der Kurve seines Nackens und nahm ihn durch die Poren in mich auf. Ich hatte meinen Sohn wieder, und das war alles, was zählte.
    Als ich wieder an Deck kam, hatte man Agnes zugedeckt. Deb lächelte mir vom Pier zu. Sie sah aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen, als sie mir die Planke herunterhalf, die man in der Zwischenzeit festgezurrt hatte. Wie eine liebende Tante kniff sie Louis mit Daumen und Zeigefinger unter dem Kinn. Ich lächelte und lächelte. Ich lächelte sie an und hielt ihn im Arm wie eine kostbare Puppe. Gleichzeitig sah ich mich nach Silver um. Ich wollte meinem neuen Freund Silver meinen Sohn zeigen.
    Doch sosehr ich mich auch umschaute, ich sah ihn nicht. Da spürte ich, wie erneut die Panik in mir aufwallte. Ich hielt Louis fester, und da sah ich die klatschnasse Maxine in einem Krankenwagen sitzen, fest in Decken eingehüllt. Wie im Traum sah ich, dass der kugelbäuchige Polizist ihr Handschellen anlegte. Der Mann vom Schnellboot redete schnell und laut in Französisch auf ihn ein. Der Polizist mit den untadeligen Manieren sah ihn verwirrt an, während Maxine ihn inständig anflehte: »Papa.« Ich fragte mich, ob der gute Mann überhaupt begriff, in welche schwerwiegende Angelegenheit er durch seine Tochter verwickelt worden war. Ich selbst konnte sie nicht ansehen. Ihr Verrat war wie ein Schlag ins Gesicht, und so suchte ich die Menge immer noch nach Silver ab.
    Dann kam ein Wagen die Straße herunter, gerade als ich eine dunkelhaarige, ebenso triefend nasse Gestalt entdeckt hatte, die ihr kurzes Haar mit einem winzigen Handtuch trocken rieb. Sein guter Anzug war hinüber. Um seinen Hals hing tatsächlich Seetang. Er war barfuß. »Schöne Füße«, fiel mir auf, als hätte ich nichts anderes zu tun. Sie waren lang und schmal und hübsch. Die Erleichterung, die ich bei seinem Anblick empfand, ließ mich fast zu Boden sacken. Lächelnd ging ich auf ihn zu, er lächelte zurück und knöpfte sein durchnässtes Hemd auf.
    »Das ist also der berühmte Louis, hm?« Ich hielt mein Baby fest und sagte: »Danke, dass Sie mich da draußen allein gelassen haben.« Ich war scheu, wütend und erregt zugleich. Silver entfernte ein bisschen Tang von seinem Kragen und sagte: »Sie hatten zehn Heckenschützen hinter sich, Kindchen, die ihre Präzisionsgewehre auf Agnes gerichtet hatten. Außerdem wusste ich, dass Sie mit ihr fertig werden konnten.« Ich wusste nicht, ob ich ihn schlagen sollte, weil er so verdammt gönnerhaft zu mir war, oder küssen, einfach weil er noch am Leben war. Doch bevor ich mich noch entscheiden konnte, schoss Mickey aus dem ankommenden Auto heraus. Er lief auf uns zu. Als er mich und Louis erreicht hatte, nahm er mich ungeschickt in seine Arme.
    Ich wusste, ich sollte glücklich sein, weil meine Familie endlich wieder beisammen war, stattdessen starrte ich über Mickeys Schulter hinweg Silver an. Auch er sah mich an. Eine Sekunde lang begegneten sich unsere Augen, dann sah er weg, fischte in der Tasche nach Kaugummi, der natürlich ebenfalls nass war. Also warf er ihn in den Gully, und dieses Mal war ich sicher, dass er zwinkerte. Dann drehte er sich um, und ich schloss die Augen und ließ mich von Mickey umarmen. Ich kämpfte das Gefühl nieder, beraubt worden zu sein, und dankte Gott für meinen Sohn.
    Ich musste Mickey sagen, dass Agnes tot war. Ich weiß nicht, was ich erwartete, jedenfalls nahm er es recht gelassen hin. Anfangs sagte er noch ein paarmal: »Mir war nie klar, wie verzweifelt sie war«, doch nach einiger Zeit erwähnte er seine frühere Frau mit keinem Wort mehr.
    Natürlich waren noch eine Menge Fragen unbeantwortet, Agnes war ja tot. Maxine war in der

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