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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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Maxine so einfach auf Agnes’ Einflüsterungen hereinfiel.
    »Darüber hinaus hat Maxine sich geärgert, weil wir uns auf Ihre Veranlassung hin ihren Freund Gorek vorgeknöpft haben. Es gab also durchaus Gründe.«
    »So viel zum Thema ›loyale Angestellte‹«, feixte Mickey. Ich warf ihm einen wütenden Blick zu.
    »Ich weiß, dass es für Sie schwer ist, aber Agnes war offensichtlich vollkommen verzweifelt.« Silver sah mich an. »Vergessen Sie‘s einfach. Wir wissen ja, dass das Unsinn ist. Mich interessiert eher, wie die beiden sich kennen gelernt haben. Kannte Maxine Agnes, bevor Louis verschwand?«
    »Mickey?« Ich sah ihn anklagend an. Plötzlich war mir, als sähe ich ihn zum ersten Mal. Er strich sich mit den langen Fingern die dunklen Locken aus dem Gesicht, offensichtlich entnervt.
    »Woher soll ich denn das wissen? Ich hatte kaum noch Kontakt zu meiner Ex-Frau, bevor all dies geschah«, schnappte er. Dann sah er meinen Blick. »Es tut mir leid, Liebling«, sagte er. Dann legte er mir die Hand aufs Knie, als sei ich eines seiner Besitztümer. Ich kämpfte gegen den Impuls an, von ihm wegzurücken und mich zu Silver zu setzen, der im vom Sonnenlicht hell erleuchteten Teil des Raumes saß.
    »Ich habe Agnes nur einmal getroffen. Als sie ins Büro kam, um Papiere zu unterzeichnen.« Mickey fasste sich an den Kopf. »Mein Gott, tut das weh. Ich habe immer noch diese fürchterlichen Schmerzen, wissen Sie. Sie werden mich wohl entschuldigen müssen. Ich bin manchmal ein wenig bissig«, sagte er zu Silver. »Morgen muss ich noch einmal zur Untersuchung.«
    Silver nickte. »Ich kann mir vorstellen, dass es schwierig ist, wenn man sein Gedächtnis mehr oder weniger verloren hat.« Er stand auf und klopfte seine Hosen aus. Die Bügelfalten waren rasiermesserscharf wie immer. »Wie eitel er doch ist«, dachte ich zärtlich. Zu zärtlich. »Ich kann mir das wirklich nicht vorstellen. Wie auch immer: Ich werde Sie wissen lassen, wenn wir Fortschritte machen.«
    »Bitte geh nicht«, schrie es in mir auf. Laut sagte ich: »Ich bringe Sie hinaus.« »Cheers«, meinte Mickey nur und hob lässig sein Glas. Dann wanderte er zur Stereoanlage hinüber und machte die Musik wieder lauter.
    »Ach«, meinte Silver da und drehte sich an der Tür zu Mickey um, während er seine Stimme ein klein wenig über die von Maria Callas erhob. »Das wird Sie vermutlich noch interessieren. Wir haben den Kerl geschnappt, der Sie in Bermondsey angegriffen hat, als Louis verschwand. Kelly bringt ihn gerade ins Präsidium, hoffe ich.«
    Mickey wurde weiß im Gesicht. Dann lächelte er. »Das ist toll«, sagte er. »Gut gemacht. Vielleicht lassen sich so ja einige Lücken schließen.«
    »Vielleicht«, gab Silver zurück. »Man weiß ja nie. Auf Wiedersehen für heute.«
    Gleichgültig hob Mickey die Hand. Ich folgte Silvers Schatten durch den Flur, dessen Boden von Jeans Polierkünsten nur so spiegelte. Meine Blutflecken waren verschwunden.
    »Nun, danke jedenfalls«, sagte ich ein wenig linkisch, während ich hinter ihm stand. Er öffnete die Vordertür. Ich wusste, dass nun etwas zu Ende ging, von dem ich nicht wollte, dass es endete.
    »Ich habe Ihnen etwas mitgebracht«, sagte er. Dann schob er mir ein zerknülltes Stück Papier in die Hand. Es war fleckig und ziemlich verschmutzt. Außerdem war es kariert wie die Schulhefte in Frankreich.
    »Was ist das?«
    »Eine Nachricht an Sie. Von Robbie.«
    Mein Herz zog sich zusammen. »O Gott.«
    »Wir haben es unter Agnes’ Sachen gefunden.«
    »Haben Sie sie gelesen?«
    »Das musste ich, Kindchen. Tut mir leid.«
    »Nein, ist schon in Ordnung.«
    »Leider hilft es uns in der Selbstmordfrage nicht weiter, weil die Nachricht ziemlich rätselhaft ist. Aber vielleicht fühlen Sie sich besser, wenn Sie sie gelesen haben. Wenigstens ein bisschen.«
    »Danke«, murmelte ich. Seine Hand lag auf der Türklinke. Fest entschlossen, nicht zu weinen, starrte ich auf meine Füße hinunter. Dann spürte ich plötzlich seine Hand unter meinem Kinn. Mein Magen tat einen kleinen Sprung. Er hob mein Gesicht an, sodass ich ihm in die Augen sah.
    »Ich möchte Ihnen nur sagen, dass Sie Ihre Sache in den letzten Wochen großartig gemacht haben, Kindchen.«
    »Bitte, verlass mich nicht«, flehte ich still bei mir. Äußerlich wurde ich einfach nur rot. »Ich glaube nicht, dass ich in all den Jahren so viel geweint habe wie in diesen Tagen. Wie eine verdammte … na ja, Sie wissen schon, eine echte Heulsuse

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